Seminarbericht

Auf unserem Planeten gibt es ungefähr zehn Millionen verschiedene Arten von Pflanzen und Tieren, von denen einige so beeindruckende Eigenschaften besitzen, dass über deren physikalische Ursache lange gerätselt wurde oder bis heute wird. Bereits Aristoteles soll sich mit der Haftwirkung von Geckos beschäftigt haben. Inzwischen ist dank fortgeschrittener Analyse- und Mikroskopie-Techniken bekannt, dass Nano- und Mikrostrukturen zahlreiche faszinierende Effekte hervorrufen. Interessanterweise beruhen viele Lösungen der Natur vor allem auf der Struktur, während die Grundmaterialien verblüffend wenig variieren.

Dementsprechend fokussierte sich das 644. WE-Heraeus-Seminar, das vom 29. bis 31. Mai 2017 im Physikzentrum Bad Honnef stattfand, vor allem auf die Frage, welche Effekte sich durch nano- und mikrostrukturierte Oberflächenstrukturen und Materialien erzeugen lassen. Wenn die wesentlichen Prinzipien und Wirkmechanismen dieser Lösungen aus der Natur verstanden sind, kann man diese Strukturen bionisch imitieren, um künstliche Oberflächen zu designen, die sich für technische Anwendungen eignen. Die bekanntesten Beispiele für bionische Effekte der letzten Jahrzehnte sind sicherlich der Lotuseffekt und die bereits erwähnte Adhäsion von Geckos. Viele weitere beachtenswerte Effekte, z.B. die faszinierenden strukturellen Farben von Schmetterlingen, die phänomenalen Reibungseigenschaften von Sandfischen oder die erstaunliche Belastbarkeit der Keulen von Fangschreckenkrebsen, sind allerdings noch Gegenstand aktueller Forschung. Weiterhin wurden neue Wege zur Bildung von funktionellen Materialien auf nanostrukturierten bioorganischen Oberflächen vorgestellt. Dabei wurde insbesondere deutlich, dass sich die Materialeigenschaften durch die dabei entstandenen Grenzflächen gezielt modifizieren lassen, was die Stärke der biomimetischen Ansätze verdeutlicht.

Viele Diskussionen unter den Teilnehmern zeigten, dass gerade die Interdisziplinarität des Themas die aktive Beteiligung an dem Seminar förderte. So wurden im Rahmen einer Podiumsdiskussion aktuelle Möglichkeiten zur Initiierung und zum Ausbau von Forschungskooperationen erörtert. Nicht zuletzt bot das inspirierende Umfeld im Physikzentrum ideale Möglichkeiten zum bilateralen Austausch zwischen den einzelnen Teilnehmern.

Prof. Dr. Joachim Bill, U Stuttgart; Priv.-Doz. Dr. Hendrik Hölscher, KIT Karlsruhe; Prof. Dr. Mato Knez, CIC nanoGUNE, San Sebastian