Seminarbericht

Ionische Flüssigkeiten (engl. Ionic Liquids), Salze mit einem Schmelzpunkt typischerweise unter­halb von 100°C, bilden eine junge, sehr interessante Materialklasse mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten. Ihre einzigartigen Eigenschaften, darunter der meist extrem niedrige Dampfdruck, basieren auf dem komplexen Wechselspiel von Coulomb-Wechselwirkung, Wasserstoffbrückenbindung, Van-der-Waals-Wechselwirkung und manchmal auch kovalenten Bindungsanteilen zwischen den Ionen. Ihre strukturelle Vielfalt eröffnet nahezu uneingeschränkte Möglichkeiten, Anionen und Kationen zu kombinieren. Damit können die physikalisch-chemischen Eigenschaften über einen großen Bereich variiert und auf spezifische Anwendungen hin optimiert werden. Diese reichen von der Katalyse über die Elektrochemie, Trennverfahren, „grüne“ Lösungsmittel bis hin zur Analytik oder als Kontaktmedium für elektronische Bauelemente. Dabei spielt jeweils die Wechselwirkung der ionischen Flüssigkeit mit ihrer Umgebung eine ganz entscheidende Rolle, und das atomare Verständnis der Grenzflächeneigenschaften ist daher von größter Wichtigkeit. Dies trifft insbesondere auf die SILP-Katalyse („Supported Ionic Liquid Phase“) und die SCILL-Technologie („Solid Catalyst with Ionic Liquid Layer“) zu, zwei bereits technisch umgesetzte neue Konzepte auf dem Gebiet der heterogenen Katalyse.

Das WE-Heraeus-Seminar fand vom 3. – 6. Dezember 2017 im Physikzentrum in Bad Honnef statt. Es war geprägt durch einen außerordentlich interdisziplinären und internationalen Charakter, mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Physik, Chemie, Chemieingenieurwesen und Materialwissenschaften, mit insgesamt elf Nationalitäten. Zum wohl ersten Mal bei einem internationalen Treffen zu ionischen Flüssigkeiten standen zentral die relevanten atomaren und molekularen Grundlagen der an den gas/flüssig-, flüssig/flüssig- und flüssig/fest-Grenzflächen auftretenden Phänomene im Mittelpunkt. Daher stieß das Seminar auf reges Interesse und äußerst positiven Widerhall bei allen Teilnehmern, nicht zuletzt aufgrund des perfekten Rahmens. In 20 durchgängig hervorragenden Vorträgen und 40 Postern wurde das Thema in seiner ganzen Breite und mit beeindruckender Tiefe bearbeitet, und es fand ein äußerst intensiver Austausch statt, insbesondere auch zwischen jüngeren und schon etablierten Wissenschaftlern.

Prof. Dr. Hans-Peter Steinrück, Dr. Florian Maier, Universität Erlangen-Nürnberg