Seminarbericht

Elektromagnetische Formfaktoren sind fundamentale Größen, welche Information über die Dynamik der Hadronenstruktur liefern. Obwohl das Gebiet der Formfaktoren seit vielen Jahren eines der Hauptforschungsgebiete der Hadronenphysik darstellt, haben neue technische Entwicklungen und Entdeckungen unser Verständnis des Nukleons wesentlich verändert und neue Fragen aufgeworfen. Das Hauptziel des Seminars, das vom 23. bis 27. April 2018 im Physikzentrum Bad Honnef stattfand und Vertreter der wichtigsten Experimente und Laboratorien versammelte, war es, experimentelle Ergebnisse zu diskutieren und verschiedene Analysen und Interpretationen kritisch zu vergleichen.

Der Zeitpunkt des Seminars erlaubte die erstmalige Präsentation der vorläufigen Ergebnisse der Experimente BESIII (Beijing) und BINP (Novosibirsk) vor einem internationalen wissenschaftlichen Publikum. Die finalen Ergebnisse und zukünftige Pläne des Jefferson Labs bezüglich der Erforschung der elektrischen und magnetischen Formfaktoren des Protons sowie des Neutrons wurden präsentiert, einschließlich der Suche nach Effekten jenseits der Born-Approximation. Diskutiert wurden auch die noch unveröffentlichten Daten über die Annihilation eines Lepton-Paares in vier und sechs Pionen am BINP sowie Hyperonformfaktoren (mit Charminhalt) bei Impulsüberträgen nahe der Produktionsschwelle bei BESIII. Neue, präzisere Messungen des Proton- sowie des Neutronformfaktors in der unmittelbaren Nähe der Produktionsschwelle sind bereits bzw. werden bald verfügbar sein. Für Reaktionen mit großen Impulsüberträgen wird derzeit die Protonen- und Neutronen-Polarimetrie am Nuclotron in Dubna entwickelt, bei welcher neuartige hochenergetische, polarisierte Neutronen- und Protonenstrahlen beschleunigt werden. Oszillationen des effektiven Protonformfaktors, die mit Protonen in der zeitartigen Region beobachtet werden, werden durch zwei verschiedene Analysen an BESIII bestätigt. Die Diskussionen zwischen Theoretikern und Experimentatoren waren besonders aufschlussreich, nicht nur bei der Interpretation der Daten auf der Ebene der Quarks oder durch Rescattering-Effekte, sondern auch hinsichtlich der Bedeutung von Strahlungskorrekturen selbst bei geringen Impulsüberträgen. Probleme im Zusammenhang mit den hochaktuellen Messungen des Protonradius wurden diskutiert und zukünftige Pläne beim PRAE-Experiment (Orsay) vorgestellt. Die geplanten zukünftigen Messungen bei BESIII, bei den modernisierten JLab-Experimenten und bei der an der GSI/Darmstadt im Bau befindlichen FAIR-Anlage wurden detailliert dargestellt.

Eine Poster-Sitzung stellte vor allem die herausragenden Arbeiten junger Doktoranden vor, welche durch die WE-Heraeus-Stiftung eine besondere Anerkennung erhalten haben. Die Teilnehmer sowie die wissenschaftlichen Organisatoren sind ganz besonders dankbar für die Gastfreundschaft, hervorragende Organisation und großzügige Unterstützung durch die WE-Heraeus-Stiftung.

Prof. Egle Tomasi-Gustafsson, U Paris/FRA
Prof. Simone Pacetti, Perugia/ITA
Dr. Alaa Dbeyssi, GSI/Helmholtz-Inst. Mainz