Seminarbericht

Im Jahr 1918 erschien die erste Auflage von Hermann Weyls epochalem Werk Raum-Zeit-Materie. Darin findet sich zum ersten Mal ein Gedanke, der zu einem der fruchtbarsten für die Physik des 20. Jahrhunderts und darüber hinaus werden sollte: der Gedanke der Eichtheorie (englisch: gauge theory). Eichtheorien beschreiben im so genannten Standardmodell der Teilchenphysik äußerst erfolgreich die starke Wechselwirkung und die zur elektroschwachen Wechselwirkung vereinigten elektromagnetischen und schwachen Kräfte. Darüber hinaus sind Eichtheorien von Bedeutung für verallgemeinerte Theorien der Gravitation.

Dieses Jubiläum war der Anlass, um das Thema Eichtheorien aus allen relevanten Richtungen zu beleuchten. Der Bogen dieses Seminars, das vom 30.7. bis 3.8.2018 im Physikzentrum Bad Honnef stattfand, spannte sich von Physik über Philosophie und Mathematik bis hin zur Wissenschaftsgeschichte, was sich in der interdisziplinären Auswahl der Redner widerspiegelte. 21 Redner aus acht Ländern trugen zum Erfolg des Seminars bei; dazu gesellten sich über 40 zumeist jüngere Teilnehmer aus aller Welt, die mit Postern und zahlreichen Fragen und Kommentaren zu einer lebendigen Diskussionsatmosphäre beitrugen.

Das detaillierte Programm sowie die meisten Vortragsfolien sind auf der Webseite zu finden. Zusätzlich herauszuheben ist die allgemeine Diskussionsrunde am Freitagmorgen, in der die Teilnehmer überaus lebendig und auf persönliche Weise zu spannenden Themen Stellung nahmen. Hier eine kleine Kostprobe der dort behandelten Fragen: Welche Rolle spielte Weyls Raum-Zeit-Materie für die Forschung auf den Gebieten Gravitationstheorie und Eichtheorie? Welche Rolle spielten Weyls Ideen für die Wissenschaftsphilosophie, und welche Rolle spielen sie heute? Lassen sich Gravitation und Quantentheorie konsistent vereinigen? Wie gut sind Eichtheorien experimentell getestet? Welche Rolle spielen Eichtheorien für das Verhältnis von Mathematik und Physik?

Die Durchführung dieser Tagung wäre nicht möglich gewesen ohne die großzügige und effiziente Förderung durch die Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung, der hiermit gebührend gedankt sei.

Dr. Silvia De Bianchi, Universitat Autònoma de Barcelona
Prof. Dr. Claus Kiefer, Universität zu Köln