Seminarbericht

Vom 17. bis zum 21. Dezember 2018 stand das Physikzentrum in Bad Honnef ganz im Zeichen des sich dynamisch entwickelnden Gebietes ultrakalter Quantengase. Die 100 Teilnehmer aus 22 Ländern tauschten in einem spannenden Mix aus Plenumsvorträgen von internationalen Experten und Nachwuchswissenschaftlern sowie aus engagiert präsentierten Posterbeiträgen ihre Erfahrungen aus. Die Beiträge zeigten eindrucksvoll, wie sich Erkenntnisse der Grundlagenforschung zu quantenentarteten Gasen aus Atomen und Molekülen in die Materialwissenschaften übertragen lassen. So ermöglicht die genaue Kontrolle von Quantenmaterie aus bekannten Bausteinen eine hochpräzise Vielteilchenphysik, bei der Theorie und Experiment in vielen Fällen im Prozentbereich übereinstimmen. Auch neue Formen der Materie lassen sich realisieren, wie Nobelpreisträger Wolfgang Ketterle vom MIT in einem faszinierenden Abendvortrag am Beispiel der Supersolidität erläuterte. Durch Manipulation eines Bose-Einstein-Kondensats mit Lasern gelang es, einen quantenmechanischen Zustand der Materie herzustellen, der gleichzeitig Eigenschaften von festen und superfluiden Körpern zeigt.

Ferner wurde deutlich, dass die Kontrollierbarkeit ultrakalter Quantengase nicht nur zur Entdeckung neuer Phänomene, sondern auch zu idealen Quantensimulatoren im Sinne von Richard Feynman führt. So können beispielsweise Photonen in einer mit Farbstoff gefüllten Mikrokavität ein Bose-Einstein-Kondensat ausbilden. Außerdem kann es in atomaren Bose-Einstein-Kondensaten durch Kompensation von repulsiven und attraktiven Zwei-Teilchen-Wechselwirkungen zu einer Instabilität kommen, aus der Quantentröpfchen hervorgehen, die durch Quantenfluktuationen stabilisiert werden. In atomaren, magnetisch dipolar wechselwirkenden Quantengasen gelang es, metastabile Anregungen in Form von Rotonen nachzuweisen, wie sie von Helium bekannt sind. In der ultrakalten Chemie wurden bahnbrechende Fortschritte erzielt, die die Erzeugung quantenentarteter heteronuklearer Moleküle mit starker elektrisch dipolarer Wechselwirkung bald möglich machen werden. Viele Vorträge befassten sich auch mit der kollektiven Dynamik ultrakalter Quantengase wie Solitonen, Vortizes, Quantenturbulenz, Vielteilchen-Lokalisierung oder eine durch Dissipation induzierte nichtstationäre komplexe Dynamik. Ein weiterer Schwerpunkt bestand darin, mit Hilfe von synthetischen Quantensystemen die verschiedensten Phänomene der Festkörperphysik zu untersuchen. Auf diese Weise wurden Aspekte der Polaronenphysik, des Magnetismus, der Supraleitung sowie von Spinflüssigkeiten erforscht. Schließlich eröffnen sich sogar Möglichkeiten für eine experimentelle Quantenkosmologie, da sich beispielsweise Schwarze Löcher, die Hawking-Strahlung oder die Expansion des Universums mit Hilfe ultrakalter Quantengase im Labor simulieren lassen.

Das Physikzentrum ermöglichte durch seine angenehme Atmosphäre intensive Diskussionen. Im Namen aller Teilnehmer danken wir der WE-Heraeus-Stiftung für die großzügige Förderung sowie für die professionelle organisatorische Unterstützung.

Priv.-Doz. Dr. Axel Pelster, TU Kaiserslautern
Prof. Carlos Sà de Melo, Georgia Institute of Technology, Atlanta/USA