Seminarbericht

Quantenchaos ist ein zentrales Thema der modernen Quantenphysik, welches sich mit der Beschreibung komplexer Prozesse in einer Vielzahl von Domänen beschäftigt – angefangen von atomaren und nuklearen Systemen über Quantenoptik und phasenkohärenten Transport hin zu einer Reihe interessanter theoretischer Vielteilchensysteme, einschließlich angedachter Modellsysteme für Schwarze Löcher.

Dieses Seminar, das vom 20. – 24. September 2021 im Physikzentrum Bad Honnef stattfand, behandelte die jüngsten Fortschritte in diesem Gebiet, das maßgeblich von dem 2019 verstorbenen Physiker Fritz Haake geprägt wurde (siehe Nachruf im Februarheft 2020 des Physik Journal). Das Hybridformat erlaubte es, jüngere und etablierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einschließlich vieler Weggefährten Haakes mit sehr diversen Forschungsausrichtungen aus aller Welt zusammenzuführen. Mit Hilfe der bemerkenswert verbindenden Wirkung universeller quantenchaotischer Sichtweisen konnten die Teilnehmer ihre konkreten aktuellen Einsichten in einen weiteren Kontext stellen, was die Reichweite der Ergebnisse und den Austausch von Ideen sichtbar förderte. Als Beispiel sei die Frage nach statistisch universellem Systemverhalten genannt, welches eine zentrale Rolle in Vorträgen über Einzel- wie auch Vielzahlsysteme einnahm, und zwar nicht nur hinsichtlich der Bedingungen und Aspekte, die universelle Eigenschaften erlauben, sondern auch hinsichtlich der Vorgänge, die zu spezifischen Abweichungen davon führen können. Eine ebenso überordnende Wirkung entfachten topologische Aspekte, die zu robusten Phänomenen führen, deren Hauptgesichtspunkte nur von einigen wenigen konkreten Symmetrieeigenschaften herrühren. Und umgekehrt erwies sich quantenchaotisches Verhalten auch prägend in konkreten experimentellen Anwendungen und erweiterten Sichtweisen, sei es hinsichtlich der Wellenausbreitung in photonischen Strukturen oder des Informationsverlusts in offenen oder zufällig gemessenen Systemen, wobei auch die oben erwähnten kosmologischen Fragestellungen ihr Spielfeld fanden. Abgerundet wurde die Veranstaltung durch einen mit Freunden und Familie verstärkten Gedenknachmittag mit einem „Fritz-Kolloquium“ von Maciej Lewenstein sowie persönlichen Beiträgen u.a. von Julia Haake, Sir Michael Berry und vielen weiteren engen Freunden und Doktorkindern.

Unser herzlicher Dank gilt der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung für die hervorragende finanzielle Förderung und organisatorische Unterstützung des Seminars, sowie dem Physikzentrum Bad Honnef für die anregende und einladende Atmosphäre sowie die umfassende technische Hilfestellung zum reibungslosen Verlauf dieser Veranstaltung.

Prof. Dr. Sven Gnutzmann, Universität Nottingham, Großbritannien
Prof. Dr. Thomas Guhr, Universität Duisburg‐Essen
Prof. Dr. Henning Schomerus, Lancaster Universität, Großbritannien
Prof. Dr. Karol Życzkowski, Jagiellonen-Universität Krakau, Polen