Seminarbericht

Nicht nur aus Sicht von Teilchenphysikern ist unsere Existenz immer noch ein Rätsel. Nach unserem heutigen Verständnis entstand das Universum im Urknall mit Materie und Antimaterie im Gleichgewicht. Würden die Gesetze der Physik exakten Symmetrien gehorchen, hätte dieses Gleichgewicht fortbestehen müssen, da wegen der paarweisen Teilchen-Antiteilchen-Erzeugung bzw. -Vernichtung sich nichts am Verhältnis Materie zu Antimaterie hätte ändern können. Nur aufgrund von Symmetrieverletzungen in den fundamentalen Wechselwirkungen hat sich der Anteil, den wir Materie nennen, durchgesetzt. Dabei kommt besonders einem Symmetrie brechenden Mechanismus, nämlich der CP-Verletzung, eine entscheidende Bedeutung zu.

Es stellt sich jedoch heraus, dass im Standardmodell der Teilchenphysik die CP-Verletzung um Größenordnungen zu klein ist, um die heutige Dominanz von Materie gegenüber Antimaterie zu erklären. Es wird daher nach neuartigen CP-verletzenden Wechselwirkungen gesucht. Solche Wechselwirkungen könnten sich in permanenten elektrischen Dipolmomenten (EDMs) subatomarer Teilchen manifestieren, die Spin tragen und nicht ihre eigenen Antiteilchen sind.

Trotz vieler Suchen und immer höherer Empfindlichkeit konnte bisher kein permanentes elektrisches Dipolmoment eines atomaren oder subatomaren Teilchens beobachtet werden. Zu den bisher untersuchten Systemen gehören Neutronen, Myonen, Atome und Moleküle. Dieses Seminar konzentrierte sich auf die direkte Messung von EDMs geladener Hadronen und leichter Kerne (z.B. Proton, Deuteron, 3He) an Beschleunigern. Solche Messungen sind bisher noch nie durchgeführt worden. Sie erfordern den Betrieb einer neuen Art hochpräziser Speicherringe, die elektrische statt magnetische Felder verwenden.

Ziel des Seminars war es, Experten aus der Experimental-, Beschleuniger- und theoretischen Physik zusammenzubringen, um die nächsten Schritte zum Bau eines solchen neuartigen Präzisionsspeicherrings zu diskutieren. Insgesamt wurden 29 Vorträge gehalten. Darunter waren 9 Theoriebeiträge, in denen auch weitere mögliche Observablen, wie die Suche nach Axionen, dunkler Materie und dunkler Energie sowie Effekte der allgemeinen Relativitätstheorie in Speicherringexperimenten beleuchtet wurden. Etwa 15 Vorträge beschäftigten sich mit dem Design eines neuartigen Speicherrings bzw. stellten wichtige Meilensteine vor, die bereits am existierenden Speicherring COSY am Forschungszentrum Jülich erzielt wurden und in das Design eines neuartigen Beschleunigers einfließen werden. Vorträge zu Ergebnissen anderer Experimente, die sich auf permanente elektrische und magnetische Dipolmomente bzw. auf weitere explizite Brechungen fundamentaler Symmetrien bezogen, rundeten das Programm ab. In einer Diskussionsrunde am Ende des Seminars wurde angeregt, regelmäßige Anschlussmeetings zu organisieren.

Wir bedanken uns bei allen Rednerinnen/Rednern und Teilnehmenden für die Vorträge und anregenden Diskussionen und bei der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung, die es in diesen Zeiten möglich machte, eine solche Konferenz online zu organisieren.

Dr. Mike Lamont, CERN, Schweiz
Prof. Dr. Jörg Pretz, Forschungszentrum Jülich & RWTH Aachen
PD Dr. Andreas Wirzba, Forschungszentrum Jülich