Seminarbericht

Die vielfältigen Möglichkeiten des ungezwungen fachlichen Austauschs sind das besondere Markenzeichen der WE-Heraeus-Seminare. Angesichts der Corona-Pandemie stand daher von Anfang an die Frage im Raum, ob ein Seminar überhaupt funktionieren kann, ohne sich im Physikzentrum Bad Honnef zu treffen. Mit großer Unterstützung und Motivation durch die Stiftung entschlossen wir uns, das Seminar online durchzuführen, um der wissenschaftlichen Gemeinschaft und insbesondere dem wissenschaftlichen Nachwuchs auch in schwierigen Zeiten eine Perspektive zu bieten. Auf die Frage, ob das online überhaupt gelingen kann, können wir nach zwei durchaus ansprechenden Seminartagen am 8. und 9. März ein klares JEIN geben. Wenn kein Weg an einem Online-Seminar vorbei geht, dann war das von der Stiftung vorgeschlagene Format mit MeetAnyway das Beste, das wir im letzten Jahr erleben durften. Aber: Den Lichtenberg-Keller und die gemeinsamen Mahlzeiten ersetzt es nicht. Dennoch gab es lange und tiefgreifende Diskussionen, nicht nur nach den didaktisch sehr ansprechenden Vorträgen, sondern auch in den Postersitzungen, deren virtuelles Format in gelungener Weise kleine Gesprächsrunden zuließ.

Das Seminar spannte den Bogen von thermomagnetischen über thermoelektrische bis zu pyroelektrischen Bauelementen. Schon der Eröffnungsvortrag von Sebastian Fähler (IFW Dresden) setzte Maßstäbe, führte in die spannende Welt thermomagnetischer Phänomene ein und lieferte eine Abschätzung ihrer Potenziale zum Energy Harvesting. Luana Caron (U Bielefeld) legte nach und beleuchtete die spannenden Aspekte magnetokalorischer Materialien. Die erste Pause mit „Mingling“ – einer Art wissenschaftlichem Speed Dating – sorgte für Auflockerung und gegenseitigem Kennenlernen. Der zweite Tag stand stärker im Zeichen der Materialien, deren Synthese und Charakterisierung. Hier war der Vortrag von Dave Johnson (University of Oregon) sicher einer der Leuchttürme, aber auch der abschließende Beitrag von Lane Martin (UC Berkeley) über pyroelektrische Effekte und deren Potenzial für die Energiewandlung und Sensorik bestach durch innovative Ansätze und bildete eine inhaltlich Klammer zu den Eröffnungsvorträgen am Vortag. In Erinnerung bleiben wird der Abendvortrag von Jeff Snyder (Northwestern University) zur Rolle von Grenzflächen auf elektrischen und thermischen Transport. Der im Vorfeld aufgezeichnete und mit Untertiteln versehene Vortrag war von einer Prägnanz, von der viele von uns auch nach einem Jahr Performance als „Youtuber“ nur träumen. Die sich anschließende Diskussion über die Rolle von Defekten, Ladungen, Streuprozessen und Tunnelprozessen erfasste fast die gesamte Seminarrunde. Dabei zeigte sich, dass das morgendliche Theorie-Tutorium von Dietrich Wolf (U Duisburg-Essen) hierfür eine sehr gute Vorlage geliefert hatte – offenbar auch bei vielen Teilnehmern in den USA um 4 Uhr Ortszeit. Dies spricht für die durchwegs hohe Motivation und Qualität der Beiträge und auch Teilnehmer. Um abschließend zu klären, ob die Energiebarrieren der stark gestörten Grenzflächen in Realstrukturmaterialien nun durchtunnelt werden oder nicht, können wir uns hoffentlich zukünftig wieder im Physikzentrum Bad Honnef treffen.

Prof. Dr. Gabi Schierning, U Bielefeld
Prof. Dr. Roland Schmechel, U Duisburg‐Essen