Seminarbericht

Ziel dieses Seminars, das vom 26. bis 28. April online stattfand, war es, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Experiment und Theorie zusammen zu bringen, um die neuesten Entwicklungen auf dem Feld der Protein-Dynamik darzustellen und zu diskutieren. So wurden methodische Entwicklungen in spektroskopischen Verfahren, z.B. NMR- und EPR-Spektroskopie, ebenso dargestellt wie Fortschritte in der Röntgenkristallographie oder der Elektronenmikroskopie. Computer-gestützte Methodenentwicklungen zielten insbesondere darauf, neue Lernalgorithmen zur Analyse der strukturellen und dynamischen Eigenschaften biologische relevanter Makromoleküle oder Prozesse zu verwenden. Als zentral stellte sich die Frage heraus, wie es gelingt, die wesentlichen Eigenschaften atomistisch beschriebener Makromoleküle in komplexere Systeme zu integrieren, ohne eben die atomistische Beschreibung im Detail beizubehalten. Cecilia Clementi (Berlin), Rommie Amaro (San Diego), Bert de Groot (Göttingen) und Gianni De Fabritiis (Barcelona) wiesen hier interessante Lösungsmöglichkeiten auf, die invariante und erlernte Eigenschaften kombinieren, um entsprechende Funktionen zu definieren, die das Verhalten von miteinander wechselwirkenden Eiweißen beschreiben. Dabei wurden dann experimentelle Systeme einbezogen oder simuliert, für die experimentelle Parameter vorlagen, z. B. aus Einzelmolekül-Mikroskopie-Verfahren oder thermodynamischen Experimenten. Diese Rückkopplung von theoretischen Simulationen mit experimentellen Daten war ein durchgängiges Thema des Seminars. Die Nutzung großer Datenmengen erlaubt dabei in Kombination mit neuen Modellierungs-Ansätzen zunehmend Voraussagen auch zu größeren biologischen Systemen, sog. Multi-Protein-Komplexen.

Die atomare Beschreibung großer makromolekularer System ist auch in den experimentellen Vorträgen ein Hauptthema gewesen, wobei insbesondere die neuen elektronenmikroskopischen Verfahren zu einer Explosion neuer Strukturen führten, die sich oft auch in verschiedenen Zuständen charakterisieren lassen. Eindrucksvolle Beschreibungen der mitochondrialen Teilung, der bakteriellen Transkription oder bakterieller Toxine wurden gezeigt. Um die Dynamik von Eiweißen in wässriger Umgebung atomar zu beschreiben, ist die NMR-Methode nach wie vor von großer Bedeutung und ergänzt sich gut mit mikroskopischen Messungen, wie Birthe Kragelund (Kopenhagen) und Ben Schuler (Zürich) zeigten. Die sehr dynamischen Eigenschaften intrinsisch ungefalteter Proteine lassen sich dabei eingrenzend beschreiben, und wir beginnen ihre Bedeutung in der Biologie zu verstehen, wie auch Julie Forman-Kay (Toronto) in einem eindrucksvollen Vortrag zeigte.

Wir danken der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung für die Bereitstellung der Plattform MeetAnyway und die hervorragende organisatorische Unterstützung des Seminars.

Prof. Dr. Christian Freund, Prof. Dr. Frank Noé, Dr. Esam Abualrous, FU Berlin