Seminarbericht

Ultrakalte Quantengase haben sich über die letzten zwei Jahrzehnte als eine ideale Plattform für Quantensimulationen etabliert. Dazu werden einzelne Atome mit den Instrumenten der Atomphysik zum Grundzustand gekühlt und so präzise kontrolliert, dass sich damit paradigmatische quantenmechanische Modelle anderer Disziplinen realisieren und studieren lassen, z.B. aus der Festkörperphysik oder der Hochenergiephysik. Ein Meilenstein in der Kontrolle dieser Quantensysteme war die Einbindung hochauflösender optischer Mikroskopie, die es erlaubt, jedes einzelne Atom des Quantengases zu manipulieren und abzubilden. Im Lauf der letzten Jahre wurde diese Technik immer weiter verfeinert, so dass wir heute mit atomaren Quantengasmikroskopen hochkomplexe Vielteilchenzustände erzeugen und auslesen können.

Bei diesem Seminar, das vom 3. bis 8. April 2022 in hybrider Form im Physikzentrum stattfand, wurden die Möglichkeiten und neuen Herausforderungen beleuchtet, die sich aus dieser außergewöhnlichen Kontrolle ergeben. Hierzu ist es gelungen, führende Forschende aus dem Feld zusammen zu bringen, und einer jungen Generation von Nachwuchs-wissenschaftlern die einzigartige Möglichkeit zu geben, dieses spannende Feld kennenzulernen. Auf der konzeptionellen Seite wurden Methoden diskutiert, mit denen sich komplexe Quantenzustände besser charakterisieren lassen, insbesondere wie sich die relevanten Eigenschaften am effizientesten extrahieren lassen, sowie neue Methoden, um die quantenmechanische Verschränkung eines Zustands zu bestimmen. Eine besonders spannende Entwicklung besteht dabei in der Einbindung neuronaler Netze und anderer Techniken des maschinellen Lernens, mit denen sich Information auch aus kleineren Datensätzen verlässlich extrahieren lässt.

Zusätzlich zur Quantensimulation hatte die Quantengasmikroskopie auch erheblichen Einfluss auf die Entwicklung von atomaren Prozessoren für die Verarbeitung von Quanteninformation, z.B. für Quantencomputer. Bei dem Seminar wurden mehrere Ansätze vorgestellt, wie sich mit atomaren Systemen Quantengatter und -algorithmen realisieren lassen, z.B. mit fermionischen Bewegungszuständen oder Rydberg-Zuständen. Es ist klar, dass die Möglichkeiten an dieser Schnittstelle groß sind und wir in den nächsten Jahren spannende Entwicklungen auf dem Gebiet der Quantengasmikroskopie erwarten dürfen. Unser besonderer Dank gilt der WE-Heraeus-Stiftung, die dieses Seminar ermöglicht hat.

Prof. Dr. Fabian Grusdt, LMU München
Prof. Dr. Julian Léonard, TU Wien