Seminarbericht
In den letzten Jahren zeigte sich, dass die extrem gute Kontrollierbarkeit von Parametern ultrakalter Quantengase nicht nur für die aktuelle Grundlagenforschung von wachsendem Interesse ist, sondern zunehmend auch zu verschiedenen Anwendungen im Bereich der Quantentechnologie führt. Davon konnten sich die 85 Teilnehmenden dieses Seminars überzeugen, das dank tatkräftiger organisatorischer Unterstützung der WE-Heraeus-Stiftung vom 24. bis 28. Juni 2024 im Physikzentrum in Bad Honnef stattfand. Das Programm bestand aus 25 eingeladenen Vorträgen internationaler Experten, 6 Präsentationen engagierter Nachwuchswissenschaftler sowie mehr als 50 Postern. Die Vorträge, die Pausen, die gemeinsamen Mahlzeiten, eine Wanderung und die Übertragung von Fußball-EM-Spielen im Hörsaal boten viele Gelegenheiten zu regen Diskussionen.
Ein Schwerpunkt des Seminars bestand darin, Fortschritte der Quantensensorik anhand konkreter Beispiele zu beleuchten. Hierzu nutzt man Quantenverschränkung und gequetschte Quantenzustände aus, um Messungen physikalischer Parameter mit einer höheren Präzision durchzuführen, als dies in einem klassischen Rahmen möglich ist. Damit lassen sich genaue Sensoren für elektrische, magnetische und Gravitationsfelder sowie Rotation und Beschleunigung herstellen. Dies ist z.B. relevant in der Medizintechnik, der Navigation sowie der Überwachung von Öl-, Gas- und Wasservorkommen. Außerdem wurde diskutiert, inwieweit Quantensimulatoren mit verdünnten Quantengasen ein anderes physikalisches System nachahmen können. So lässt sich z.B. die explosionsartige Ausbreitung von Waldfeuern oder von Viren im Rahmen einer Pandemie mit Hilfe von Rydberg-Atomen studieren und so ein tieferes Verständnis von selbstorganisierter Kritikalität gewinnen.
Ein anderer Schwerpunkt des Seminars bestand darin, Fortschritte bei der Grundlagenforschung ultrakalter Quantengase zu diskutieren. So bilden planare Anordnungen von Atomen Spiegel minimaler Dicke und führen zu neuartigen quantenoptischen Vielteilchensystemen, in denen Licht starke Wechselwirkungen zwischen den Atomen vermittelt. Ferner wurde ein neuartiges Quantengas-Mikroskop vorgestellt, mit dem sich fermionische Atome nicht wie bisher im Gitter, sondern nun auch im räumlichen Kontinuum beobachten lassen. Außerdem ermöglichen ähnliche Antennen, wie man sie kommerziell für die Drohnensteuerung kaufen kann, eine Mikrowellenabschirmung, mit der sich inelastische Streuprozesse zwischen Molekülen vermeiden lassen. Dadurch gelang es 16 Jahre nach der Erzeugung von heteronuklearen Molekülen im rovibratorischen Grundzustand, erstmalig ein Bose-Einstein-Kondensat dipolarer Moleküle herzustellen. Außerdem gab der Abendvortrag von Masahito Ueda einen faszinierenden Überblick über das junge, aufstrebende Gebiet offen-dissipativer Quantensysteme.
Priv.-Doz. Dr. Axel Pelster, RPTU Kaiserslautern-Landau
Prof. Dr. Carlos Sá de Melo, GATECH Atlanta/USA