Seminarbericht

Dieses Seminar, das vom 1. bis 5. Dezember 2024 im Physikzentrum Bad Honnef stattfand, wurde durch den seit den späten 90ern beobachteten Effekt der chiral induzierten Spin-Selektivität (CISS) motiviert. Bei diesem Effekt zeigen Elektronen, die sich durch chirale Moleküle oder Festkörper bewegen, eine bevorzugte Spin-Ausrichtung, obwohl die chiralen Strukturen nicht magnetisch sind. Das Phänomen ist sowohl grundlegend interessant als auch für verschiedene technologische Anwendungen relevant, etwa in der energieeffizienten Wasserstoffproduktion sowie im effizienten Ladungstransport in biologischen Systemen sowie für die Homochiralität lebender Materie. Ziel des Seminars war es, den Mechanismus hinter CISS und insbesondere die unerklärte Größenordnung der Spinpolarisierung von über 90 % bei Raumtemperatur zu verstehen. 

Hierfür wurden 25 Vorträge aus experimentellen und theoretischen Perspektiven gehalten, sowohl von im Forschungsfeld etablierten Gruppen als auch von solchen, die frische Perspektiven einbrachten. Zum Beispiel präsentierte Latha Venkataraman (ISTA Wien) interessante Negativresultate in molekularen Bruchkontakten, die zu spannenden Diskussionen führten. Nicola Spaldin (ETH Zürich) sprach über chirale Phononen und beleuchtete Analogien zwischen offenen Fragen in diesem Bereich und CISS, die neue Einsichten in die Rolle der Elektron-Phononen-Kopplung im CISS-Mechanismus ermöglichen könnten. Joseph Subotnik (Princeton) stellte eine phasenraumbasierte Elektronenstrukturtheorie vor, die in Fällen (wie vermutlich CISS) anwendbar ist, in denen die Born-Oppenheimer-Näherung nicht greift. Darüber hinaus wurden in einer Postersession weitere vielversprechende Entwicklungen präsentiert, an der sowohl etablierte Wissenschaftler/innen als auch zahlreiche herausragende Nachwuchswissenschaftler/innen teilnahmen, und deren beste junge Vertreter/innen ihre Forschung in Kurzvorträgen vorstellten.

Zusammenfassend ist der Mechanismus des CISS weiterhin nicht vollständig verstanden. Dennoch werden Struktur-Eigenschaftsbeziehungen zunehmend klarer, und es scheint wahrscheinlich, dass eine Beschreibung gefordert ist, die über die Born-Oppenheimer-Näherung hinausgeht. Diese Erkenntnisse könnten auch Entwicklungen in anderen Forschungsbereichen der Physik, Chemie und Materialwissenschaften anstoßen. 

Die über 80 Teilnehmenden äußerten durchweg positive Rückmeldungen und den Wunsch, sich in diesem Rahmen erneut zu treffen. Ein großer Dank gebührt der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung für die großzügige finanzielle und hervorragende organisatorische Unterstützung des Seminars.

 

Prof. Dr. Carmen Herrmann, U Hamburg

Prof. Dr. Jonas Fransson, U Uppsala, Schweden