Seminarbericht

Vom 8. bis 12. Dezember 2024 trafen sich in Hamburg über 80 führende Wissenschaftler zu diesem Seminar, um aktuelle Entwicklungen im Bereich korrelierter Kagome-Materialien zu diskutieren. Diese Materialien zeichnen sich durch eine spezielle Anordnung ihrer Atome aus: Sie bilden dreieckige Gitterstrukturen, bei denen jedes Dreieck über gemeinsame Eckatome mit seinen Nachbarn verbunden ist. Diese charakteristische Geometrie erinnert an traditionelles japanisches Korbgeflecht – das Kagome-Muster – und hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Quantenmechanik der Elektronen. Die besonderen Eigenschaften der Kagome-Gitter entstehen durch zwei zentrale strukturelle Merkmale: Erstens besitzen die Elektronen innerhalb eines Dreiecks einen zusätzlichen Freiheitsgrad, der sich in der relativen Phase der Wellenfunktion äußert. Zweitens bestimmt die Kopplung über gemeinsame Eckatome die Wechselwirkung zwischen benachbarten Dreiecken. Diese Struktur führt zu Frustrationseffekten in der Elektronenwellenfunktion und eröffnet eine Vielzahl möglicher korrelierter Quantenzustände, die oft mit nicht-trivialer Topologie verbunden sind.

Im Fokus des Seminars standen Kagome-Materialien auf Vanadiumbasis, insbesondere CsV₃Sb₅ und verwandte Verbindungen. Diese Materialien zeigen eine Vielzahl komplexer Phänomene, darunter Ladungsordnung, Supraleitung und weitere, bislang mikroskopisch wenig verstandene korrelierte Zustände. Die aktuelle Forschung ist geprägt von experimentellen Ergebnissen, die teils widersprüchlich interpretiert werden – insbesondere in Bezug auf die räumliche und zeitinversionssymmetrische Natur des Grundzustands. Ziel des Seminars war es, Experten mit unterschiedlichen theoretischen und experimentellen Perspektiven zusammenzubringen, um offene Fragen kritisch zu diskutieren und die nächsten Schritte zur mikroskopischen Beschreibung dieser Materialien zu erarbeiten.

Ein zentrales Thema der ausführlichen Diskussionen war die intensiv untersuchte Struktur der Ladungsdichtewellen in diesen Materialien. Theoretische Arbeiten auf Basis der Dichtefunktionaltheorie haben gezeigt, dass die freie Energie dieser Systeme viele lokale Minima aufweist. Diese könnten eine Schlüsselrolle für die Proben- und Detailabhängigkeit experimenteller Beobachtungen spielen, insbesondere im Zusammenhang mit der Elektron-Phonon-Wechselwirkung. Ein weiteres kontroverses Thema war die mögliche gebrochene Zeitumkehrsymmetrie und ein damit verbundener „versteckter“ Magnetismus. Unterschiedliche experimentelle Techniken kommen hier zu widersprüchlichen Ergebnissen: Während optische Dichroismus-Messungen mit zirkular polarisiertem Licht auf eine gebrochene Zeitumkehr- sowie Rotationssymmetrie hindeuten, zeigen hochpräzise Kerr-Effekt-Messungen mit einem Sagnac-Interferometer keine Anzeichen für eine Verletzung der Zeitumkehrsymmetrie. Dies wirft Fragen nach Probenabhängigkeit, der Längenskala hypothetischer magnetischer Domänen und der Detektierbarkeit schwacher, kompensierter magnetischer Strukturen auf.

Diese Themen stellten nur einen kleinen Ausschnitt der wissenschaftlichen Beiträge dar, die in Form von Vorträgen und Postern präsentiert wurden. Die intensiven Diskussionen führten zu wertvollem Austausch und neuen Forschungsansätzen. Wir danken der WE-Heraeus-Stiftung ausdrücklich für die Unterstützung dieser inspirierenden und erfolgreichen Konferenz in Hamburg.

Prof. Dr. Philip Moll, MPI für Struktur und Dynamik der Materie, Hamburg

Prof. Dr. Eun-Ah Kim, Cornell U, USA

Prof. Dr. Titus Neupert, U Zürich, Schweiz