Seminarbericht

In den letzten Jahren wurden leistungsstarke Methoden entwickelt, welche die Kopplung zwischen Schwingungs- und elektronischen Freiheitsgraden (vibronische Kopplungen) gezielt nutzen, um elektronische Eigenschaften von Molekülen durch Schwingungsanregungen zu beeinflussen. Diese Entwicklungen stammen aus unterschiedlichen Disziplinen, zwischen denen teilweise wenig Austausch besteht. Technologisch reichen die Hintergründe von ultraschneller Laserspektroskopie über Mikroskopie bis hin zu Photonik. Die Anwendung beschäftigt sich mit so unterschiedlichen Themen wie Zellbiologie, Festkörperphysik, Molekülphysik, chemischer Analytik, Photochemie oder molekularer Biophysik.

Das Seminar, das vom 18. bis 21. August 2025 im Physikzentrum Bad Honnef stattfand, brachte etwa 60 führende Experten und Expertinnen sowie Nachwuchsforschende aus diesen Bereichen zusammen. In Vorträgen und einer lebhaften Postersitzung wurden viele inspirierende Synergien deutlich. Das Schwingungsspektrum enthält vielfältige Information zur Molekülstruktur („chemische Selektivität“). Die Manipulation des UV/VIS-Spektrums durch Schwingungsanregung erlaubt es, Moleküle anhand ihres Schwingungsspektrums für eine folgende elektronische Anregung auszuwählen. So lassen sich photochemische Prozesse steuern und etwa nur bestimmte Moleküle in einer Mischung zur Reaktion bringen. Vibronische Kopplungen ermöglich auch die Kontrolle von Fluoreszenz durch Schwingungsanregung – die Basis für Schwingungsspektroskopie mit Einzelmolekülsensitivität. Neue Methoden der Einzelmolekülmikroskopie erlauben bisher unerreichtes Multiplexing, da das detailreiche Schwingungsspektrum die selektive Anregung unter vielen parallel eingesetzten Chromophoren ermöglicht. Beiträge aus der Festkörperphysik zeigten, wie sich Photoströme in optoelektronischen Materialien durch Schwingungsanregung manipulieren lassen, was Rückschlüsse auf Kopplung zwischen Schwingungs- und elektronischen Freiheitsgraden zulässt. Die feldverstärkenden Effekte plasmonischer Nanokavitäten erlauben die Nutzung von vibronischen Kopplungen zur Entwicklung von hochempfindlichen, bei Raumtemperatur arbeitenden Infrarotdetektoren. Leistungsfähige Ansätze für die theoretische Beschreibung zeitabhängiger vibronischer Spektren in kondensierter Phase wurden diskutiert, begleitet von einem lebhaften Austausch zwischen Theorie und Experiment. 

Viele Teilnehmende lobten die inspirierende Atmosphäre, den Veranstaltungsort und die gelungene Mischung aus etablierten Forschenden und Studierenden. Ein herzlicher Dank gilt der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung sowie dem Physikzentrum für finanzielle und logistische Unterstützung.

Prof. Dr. Jens Bredenbeck, U Frankfurt
Prof. Dr. Wei Xiong, UC San Diego, USA