Seminarbericht

Diese Veranstaltung in der Reihe der binationalen Seminare der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung fand vom 10. bis 15. März 2024 im französischen Tagungszentrum École de Physique des Houches statt und widmete sich Aspekten der Physik komplexer Systeme, die den Herausforderungen des globalen Wandels und Klimawandels zugrunde liegen. Von der Dynamik der Atmosphäre, der Ozeane und der Eisschilde zum Klimawandel; von Ökosystemen zum Verlust der biologischen Vielfalt: Es ist charakteristisch, dass diese Systeme stark miteinander vernetzt sind und sich gegenseitig beeinflussen. Dieses Seminar brachte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Bereichen Klimawissenschaft und Ökologie mit Experten aus der Komplexitätswissenschaft zusammen, um wichtige Schnittstellen für die Zusammenarbeit zwischen diesen Bereichen aufzuzeigen.

Einführende Vorträge von Ricarda Winkelmann (Jena) und Ulrike Feudel (Oldenburg) hatten zunächst das Ziel, unterschiedliche Vorkenntnisse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den verschiedenen Bereichen anzugleichen. Weitere Vorträge beleuchteten dann detailliert neue Methoden zur Schätzung extremer Ereignisse, zur Analyse von Kipppunkten und sowohl niedrigdimensionale Modelle z.B. für die atlantische meridionale Umwälzzirkulation (AMOC) als auch hochdimensionale Simulationen zur Wechselwirkung zwischen Ozean, Atmosphäre und Eisschilden. Ein besonderes Highlight war ein Abendvortrag von Fabien Maussion (Bristol), der die drastischen Veränderungen alpiner Gletscher als Indikatoren des Klimawandels beleuchtete; er wurde anschaulich ergänzt durch Exkursionen in die nahegelegenen Gletscher am nächsten Vormittag.

Wie dringend eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Komplexitätsphysik und Klimawissenschaft benötigt wird, unterstrich ein Vortrag von Bjorn Stevens (Hamburg), der darlegte, dass die bisherigen Grundgleichungen der Klimawissenschaft manche Phänomene des Klimawandels nicht abdecken. Ähnlich drastisch zeigte auch der Vortrag von Angelika Humbert (Bremerhaven), dass zur Beschreibung physikalischer Prozesse der Eisschilde wichtige Gleichungen für adäquate Modellierungen noch fehlen.

Gerade hier zeigte sich der Nutzen des fachübergreifenden Formats der Veranstaltung. Sie zeigte aktuelle Herausforderungen und grundlegende offene Probleme auf, deren Lösungen von einer engeren Zusammenarbeit zwischen Komplexitätsphysik und Klimaforschung profitieren und war somit gerade auch für junge Forscherinnen und Forscher eine Orientierungshilfe. Eine Fortsetzung der Veranstaltung in ähnlichem Rahmen wurde allseits gewünscht. Wir danken der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung für die umsichtige und großzügige Förderung dieses Projekts.

Prof. Dr. Theo Geisel, MPI für Dynamik und Selbstorganisation, Göttingen
Prof. Dr. Hugues Chaté, CEA Saclay