Seminarbericht

Was ist das Besondere am Weltraum? Zum einen sind dies all die phantastischen Phänomene der Astrophysik, von denen im Moment die Detektion von Gravitationswellen und das Zusammenschmelzen von Schwarzen Löchern und Neutronensternen im Mittelpunkt stehen. Zum anderen bietet der Weltraum eine ganz besondere Experimentierumgebung: Man kann unendlich lange frei schweben, es stehen extrem große Distanzen zur Verfügung, sehr große Geschwindigkeiten lassen sich erreichen und auch große gravitative Potentialdifferenzen überwinden. Schließlich hat man den Vorteil einer extrem ruhigen Umgebung ohne Seismik und kann bei Bewegungen alle Freiheitsgrade nutzen.

Erst diese spezielle Umgebung macht viele Experimente möglich. So ist der Weltraum die ideale Umgebung, um das Äquivalenzprinzip zu testen, wie zur Zeit mit der Mission MICROSCOPE, von der die ersten Zwischenresultate vorliegen. Diese verbessern die bislang nur erdgebundenen Tests um zunächst eine Größenordnung. Auch hochgenaue Test der gravitativen Rotverschiebung, eine der prononciertesten Vorhersagen der Einsteinschen Gravitationstheorie, sind nur im Weltraum möglich (wie es die Mission Gravity Probe A und die momentane Datenanalyse der Galileo-Satelliten 5 und 6 zeigen). Der Test der gravitativen Mitführung, der mit der Mission Gravity Probe B (GP-B) und mit den Satelliten LAGEOS und LARES durchgeführt wurde bzw. noch wird, ist ein weiteres Beispiel. Und gerade Experimente, die die Langzeitdynamik von Quantensystemen untersuchen sollen, zum einen im Hinblick auf Tests der Grundlagen der Quantenmechanik und zum anderen für Anwendungen in Geodäsie, erfordern lange Schwerelosigkeit.

Neben diesen schon durchgeführten und noch laufenden Grundlagenexperimenten im Weltraum gibt es viele weitere Vorschläge, um diese einzigartige Experimentierumgebung zu nutzen. Dies betrifft noch bessere Test des Äquivalenzprinzips, Tests mit Bose-Einstein-Kondensaten, Tests mit großen Molekülen oder gar Nanoteilchen, um die Grenzen der Quantenmechanik auszuloten, oder Experimente von Suprafluiden, also makroskopischen Quantensystemen. Mit Letzterem könnten universelle Eigenschaften, kritische Phänomene und Phasenübergänge viel genauer als auf der Erde ausgemessen werden, da diese mit ihrer Schwerkraft die Symmetrie des zu testenden Systems störend beeinflusst.

Dies alles, sowie neue aufkommende Technologien und Modellierungsverfahren, wurde beim 565. WE-Heraeus-Seminar, das vom 23. -27. Oktober 2017 in Bremen stattfand, vorgestellt und diskutiert. Als Redner kamen die Projektverantwortlichen sowie leitenden Wissenschaftler einer ganzen Reihe von Raumfahrtprojekten, darunter F. Everitt aus Stanford (GP-B), M. Rodrigues aus Paris (MICROSCOPE) und I. Ciufolini aus Lecce (LAGEOS und LARES). Auch Vertreter von Raumfahrtagenturen haben teilgenommen. Auch wenn wie so oft die Zeit zu kurz war, gab es doch viel Gelegenheit zur angeregten Diskussion. Als ein Ergebnis dieses Seminars soll eine Roadmap für Projekte aus dem Bereich Fundamental Physics in Space formuliert werden.

Dr. Meike List, Prof. Dr. Claus Lämmerzahl; ZARM, Uni Bremen