Seminarbericht

Vor 100 Jahren, also 1919, entwickelte Otto Stern im theoretischen Institut der Universität Frankfurt unter den Direktoren Max von Laue und Max Born eine revolutionäre Messmethode, die als Ursprung der hochpräzisen Impulsmessung gilt. Ihm gelang es, Teilchen mit wohldefiniertem Impuls im Vakuum fliegen zu lassen, sie kontrolliert durch transversale Kräfte abzulenken und den Ablenkwinkel zu messen. Diese Molekularstrahlmethode ermöglichte ihm, zusammen mit Mitarbeitern wie Walther Gerlach, Immanuel Estermann, Otto Robert Frisch, Isidor Rabi oder Emilio Segrè, eine Reihe von Meilensteinexperimenten, die zu den wichtigsten experimentellen Entdeckungen der jungen Quantenphysik zählen. Dazu gehören der Nachweis, dass Atome ein magnetisches Moment haben und diese Momente im Magnetfeld „richtungsgequantelt“ sind und somit auch der erste Nachweis, dass die inneren atomaren Drehimpulse gequantelt sind. Ohne es zu wissen, hatten Gerlach und Stern in ihrem berühmten Experiment schon 1922 auch den Elektronenspin beobachtet.

Aus diesem Anlass fand vom 1. bis 4.9.2019 in der ehemaligen „Alten Physik“, dem Ort des historischen Stern-Gerlach-Experiments, der heute zum Senckenberg-Institut gehört, ein WE-Heraeus-Seminar statt. Unter den 114 Teilnehmern waren zwei Nobelpreisträger (Herschbach und Hänsch) sowie sechs Preisträger der Stern-Gerlach-Medaille. Insgesamt 48 Vorträge befassten sich mit historischen Rückblicken über Otto Sterns Pionierbeiträge zur Quantenphysik sowie mit modernsten Entwicklungen in der Quantenphysik, die auf diesen grundlegenden Experimenten beruhen. Indirekt hat Stern über seinen „Schüler“ Isidor Rabi u.a. eine große „Molekularstrahlfamilie“ begründet, die die weiteren Jahrzehnte der Quantenphysik bis heute ungeheuer erfolgreich gestaltet hat. Viele seiner Schüler wurden mit dem Nobelpreis belohnt. Von den noch Lebenden der früheren Rabi-Schule haben einige am Seminar teilgenommen (u.a. Kleppner, Pritchard, Zare) und durch Vorträge authentische Informationen über wichtige Physikgeschichte vermittelt. Die Vorträge zur Geschichte sowie zu modernste Anwendungen der Sternschen Methoden sollen in Proceedings bei Springer veröffentlicht werden. Während einer Feierstunde im Rahmen des Seminars wurde außerdem zum Gedenken an das Stern-Gerlach-Experiment eine „Historic Site-Plakette“ der European Physical Society enthüllt. 

Abschließend möchten wir uns bei der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung für die sehr großzügige Unterstützung vielmals bedanken, ohne die diese Veranstaltung nicht möglich gewesen wäre.

Prof. Dr. Horst Schmidt-Böcking, Universität Frankfurt

Prof. Dr. Bretislav Friedrich, Fritz-Haber-Institut Berlin