Seminarbericht
Im Rahmen dieses interdisziplinären Seminars, das vom 30.3. bis 2.4.2025 mit rund 70 Teilnehmenden im Physikzentrum Bad Honnef stattfand, kamen bereits zum zweiten Mal internationale Wissenschaftler:innen aus Physik, Physiologie und Biologie zusammen, um aus unterschiedlichen Blickwinkeln die neusten Forschungsergebnisse zur Motilität und Funktion von Zilien vorzustellen und zu diskutieren. Zilien sind wimpernähnliche Fortsätze auf Zellen, deren periodische Schlagbewegung unter anderem die Grundlage der Zellmotilität (z.B. in Spermien) und des Flüssigkeitstransports in multizellulären Organismen ist.
Das Ziel des Seminars wurde klar erreicht: angeregte Diskussionen zwischen Forschenden über alle Fächergrenzen hinweg, sowohl in den einzelnen Themenblöcken (auf 30-minütige Vorträge folgten jeweils 15 Minuten Diskussion) als auch im Lichtenberg-Keller, oft bis weit nach Mitternacht. Ein Highlight des Seminars war auch die sehr lebendige Postersitzung. Viele Forschende berichteten über neue Impulse für ihre Wissenschaft und neue Kontakte für Zusammenarbeit.
Die einzelnen Themenblöcke galten der Ultra-Struktur von Zilien und deren Aufklärung mit Cryo-Elektronenmikroskopie, mathematischen Modellierungen der Schlagbewegung und -mechanik, der Navigation von zilierten Mikroschwimmern, Struktur-Funktionsbeziehungen, Hochgeschwindkeits-3D-Analysen der Ziliendynamik sowie Ziliopathien – das sind durch Fehlfunktionen ausgelöste Krankheiten.
In seinem faszinierenden Keynote-Vortrag berichtete David Mitchell über den evolutionären Ursprung von Zilien vor ca. 1,8 Milliarden Jahren, welcher zusammenfällt mit dem Übergang von Bakterien zu komplexeren Zellen und schließlich multizellulären Organismen. In dieser Zeitspanne haben sich Zilien zu einem optimierten Organell entwickelt, das jetzt in fast allen höheren Organismen einschließlich uns Menschen zu finden ist, wo es Schlüsselfunktionen in der Embryonalentwicklung und der Fortpflanzung einnimmt. Der zweite Keynote-Sprecher Manu Prakash präsentierte ein lebendiges Panorama der Zilienmotilität in Mikroplankton sowie die Herausforderungen von Ozean-Expeditionen zur Quantifizierung des Beitrags von Mikroplankton zum Kohlenstoffkreislauf in Klimamodellen. Melanie Balbach hielt schließlich einen spannenden Abschlussvortrag über die Entwicklung innovativer Verhütungsmittel für den Mann und spannte dabei den Bogen von der Energetik des Spermienschwimmens zur Molekularbiologie und Arzneimittelentwicklung.
Wir bedanken uns herzlichst sowohl bei der WE-Heraeus-Stiftung als auch den Mitarbeitern des Physikzentrums für die äußerst generöse, engagierte und professionelle Organisation und Unterstützung des Seminars.
Prof. Dr. Benjamin Friedrich, Dr. Veikko Geyer, TU Dresden
Prof. Dr. Timo Strünker, U Münster