Seminarbericht
Aus der Sicht eines Physikers sind lebende Zellen ein wahres Wunderwerk, denn diese Systeme sind nicht nur die Grundbausteine eines jeden Organismus, sondern können ihre physikalischen Eigenschaften kontinuierlich und über einen großen Parameterraum scheinbar frei und sehr dynamisch ändern. So können sie in Sekunden von „fest“ auf „flüssig“ schalten, lokal Kräfte erzeugen oder auch großen Kräften, die auf sie wirken, elegant ausweichen. Das biophysikalische Verständnis dieser Eigenschaften hat in den letzten 20 Jahren zu neuen fundamentalen physikalischen Einsichten geführt und das wachsende Feld der Physik aktiver Materie maßgeblich beeinflusst. Leider sind wir noch weit von einer umfassenden theoretischen Beschreibung oder standardisierten experimentellen Messmethoden entfernt.
Um einer Lösung dieses Problems näher zu kommen, trafen sich vom 30. September bis 4. Oktober 2024 führende Wissenschaftler aus den Bereichen Zellmechanik, Biochemie des Zytoskeletts und der Theorie aktiver biologischer Systeme zu diesem Seminar im malerischen Physikzentrum der DPG in Bad Honnef. Dank der großzügigen Unterstützung der WE-Heraeus-Stiftung konnten sie eine intensive Woche mit Vorträgen, Posterpräsentationen und lebhaften Diskussionen verbringen.
Das Programm war straff organisiert und bot den über 80 Teilnehmern mit rund 30 Postern, etwa 50 Vorträgen und vielen ausgiebigen Pausen großen Raum, die aktuell dringendsten Fragen zu diskutieren. Besonders leidenschaftlich wurden Diskussionen zu Themen wie der sinnvollen Beschreibung von Nichtgleichgewichts-Phänomenen, überraschenden Korrelationen zwischen scheinbar unabhängigen Parametern sowie der Bedeutung von kritischen Phänomenen in biopolymeren Systemen geführt. Gerade die Nachwuchswissenschaftler beteiligten sich äußerst aktiv an diesen Fragen, was das Seminar insgesamt sehr dynamisch und erfolgreich machte. Eine der legendären Stärken der WE-Heraeus-Seminare in Bad Honnef ist die Tatsache, dass das Physikzentrum wissenschaftliche Diskussionen bis tief in die Nacht ermöglicht.
In dieser Woche konnten viele neue Erkenntnisse ausgetauscht, überraschende Zusammenhänge erkundet und wertvolle Kontakte geknüpft werden. Dank des unvergleichlichen Charmes des Physikzentrums und der tadellosen Organisation durch die WE-Heraeus-Stiftung wird diese Veranstaltung noch lange positiv nachwirken.
Prof. Dr. Timo Betz, U Göttingen
Dr. Chase Broedersz, VU Amsterdam, Niederlande
Prof. Dr. Franziska Lautenschläger, U des Saarlandes