Seminarbericht

Der Spruch „Gott erschuf die Festkörper, aber der Teufel die Oberflächen“ stammt vom berühmten Nobelpreisträger Wolfgang Pauli. Damit wollte er die Komplexität des Problems kennzeichnen, das entsteht, wenn die perfekte Periodizität eines Kristalls unterbrochen wird. Dies ist immer dann der Fall, wenn man die Oberfläche einbezieht oder ein Defekt vorhanden ist. Was passiert jedoch, wenn ein Material quasi nur aus Oberfläche besteht, z.B. in einem zweidimensionalem (2D) System, und zusätzlich Defekte aufweist? Genau diesem Thema widmete sich dieses Seminar, das nach einer pandemiebedingten Verschiebung um zwei Jahre vom 8. bis 12. Mai im Physikzentrum Bad Honnef stattfand.

Wegen ihrer außergewöhnlichen Eigenschaften sind 2D-Materialien, wie Graphen, hexagonales Bornitrid oder Übergangsmetall-Dichalkogenide, in den Mittelpunkt der Grundlagen- bzw. der angewandten Forschung gerückt. Die Reichhaltigkeit des Forschungsgebietes zeigt sich in wiederholten Durchbrüchen in den letzten 15 Jahren, etwa der Entdeckung magnetischer 2D-Materialien oder von Supraleitung in verdrehtem Bilagen-Graphen.

Aufgrund des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik ist bei endlichen Temperaturen immer mit einer gewissen Unordnung und somit Defekten zu rechnen. Da die meisten 2D-Materialien synthetisch hergestellt werden, kann ihre Defektkonzentration zudem viel höher sein als im thermodynamischen Gleichgewicht zu erwarten wäre. Gleichzeitig werden die elektrischen, optischen, thermischen und mechanischen Eigenschaften von 2D-Materialien maßgeblich durch die Defektkonzentration bestimmt.

Im Rahmen dieses Seminars haben daher führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Defekte in 2D-Materialien behandelt und diskutiert. Dabei war die Interaktion verschiedener Communities besonders fruchtbar. Experten der Materialwissenschaften und insbesondere der Synthese von 2D-Materialien sowie solche der Rastertunnel- und Transmissionselektronenmikroskopie konnten sich rege mit Expertinnen der theoretischen Physik und der computergestützten Materialwissenschaften austauschen. Dabei gelang es insgesamt, die wichtigsten Herausforderungen dieses noch relativ neuen Gebietes zu identifizieren und zu diskutieren. Themen waren unter anderem die Erzeugung von Defekten durch energiereiche Elektronen, strukturelle Eigenschaften von Defekten, die magnetische Funktionalisierung von 2D-Materialien durch Einbau von magnetischen Atomen, die Eigenschaften von tiefen Störstellen in halbleitenden 2D-Materialien, Defekte als Einzelphotonenemitter oder auch die Kopplung von Defektzuständen an die Unterlage des 2D-Materials. Doktoranden und Nachwuchswissenschaftler hatten dabei die Möglichkeit, sich mit den neuesten Entwicklungen und Erkenntnissen auf dem Gebiet vertraut zu machen.

Unser Dank gilt der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung für die finanzielle Förderung und großartige Unterstützung bei der Organisation des Seminars, sowie der hervorragenden Betreuung durch die Mitarbeitenden im Physikzentrum in Bad Honnef.

Dr. Stefan Facsko, Dr. Arkady V. Krasheninnikov, Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, Dresden
Prof. Dr. Thomas Michely, U Köln
Prof. Dr. Marika Schleberger, U Duisburg-Essen