Seminarbericht

Wer sich die Bewegung eines nanometer-großen Glasteilchens vorstellt, denkt vermutlich zunächst an die Gesetze der klassischen Mechanik. Bemerkenswerterweise können derartige Objekte, die aus Millionen Atomen aufgebaut sind, heutzutage routinemäßig in ihrer Bewegung bis ins Quanten-Regime gekühlt werden. Dazu wird das Teilchen in optischen, elektrischen oder magnetischen Fallen im Ultrahochvakuum in der Schwebe gehalten, wo sich seine Bewegung mit Laserlicht auslesen und mit elektrischen und magnetischen Feldern präzise kontrollieren lässt. Die dafür notwendigen Methoden wurden über die letzten Jahre von Forschenden im jungen und dynamischen Feld der Levitierten Optomechanik perfektioniert. Führende Vertreter dieses Feldes haben sich vom 4. – 8. September 2023 in Bad Honnef getroffen, um neueste Ergebnisse zu besprechen und um sich über zukünftige Forschungsfragen auszutauschen.

Der Schwerpunkt des Seminars lag dabei auf zwei komplementären Aspekten: erstens, neuartige Methoden zur Kontrolle nano-mechanischer Bewegung am Quantenlimit vorzustellen und, zweitens, zukünftige Anwendungen quanten-gekühlter Glasteilchen zu diskutieren. Es zeigte sich schnell, dass die über die letzten Jahre entwickelten Methoden die Manipulation immer komplizierterer mechanischer Systeme ermöglichen. Zu den beeindruckendsten Demonstrationen der derzeitigen Möglichkeiten zählen das gleichzeitige Kühlen der Schwerpunkts- und Drehbewegung kleiner Glas-Ellipsoide, die gezielte optisch-induzierte Wechselwirkung ko-levitierter Kügelchen und die Beobachtung der Kopplung zwischen der Drehung eines Nanodiamanten und eingebetteten Stickstoff-Fehlstellen-Zentren aufgrund des Barnett-Effektes. In der Frage nach den zukünftigen Anwendungen der schwebenden Glasteilchen waren sich die Forschenden einig: Das präzise Auslesen der Schwerpunkts- und Drehbewegung erlaubt es, kleinste Kräfte und Drehmomente zu vermessen. Diese Genauigkeit erlaubt sowohl die technologische Anwendung als auch die Überprüfung fundamentaler Kraftgesetze, wie dem Newtonschen Gravitationsgesetz bei kleinen Abständen. Darüber hinaus wurden vielfältige Möglichkeiten besprochen, um Quanteninterferenz einzelner Kügelchen zu beobachten. Derartige Doppelspalt-Experimente würden die Gültigkeit der Quantenmechanik in einem unerreichten Massen-Regime überprüfen und könnten in ferner Zukunft erlauben, etwas über die Quantennatur der Gravitation zu lernen.

Wir danken der WE-Heraeus-Stiftung für die finanzielle und exzellente organisatorische Unterstützung.

Prof. Dr. Benjamin Stickler, U Ulm
Dr. Uroš Delić U Wien
Dr. Nadine Meyer, ETH Zürich