Seminarbericht

Seit im September 2015 die ersten Gravitationswellen von kilometerlangen Laserinterferometern gemessen wurden, haben sich die Astronomie und die Gravitationsphysik rasant verändert. Die Entdeckung verschmelzender Doppelsysteme aus Schwarzen Löchern ist mittlerweile zur Routine geworden. Auch Neutronensternverschmelzungen und die Kollision von Schwarzen Löchern und Neutronensternen wurden inzwischen beobachtet, und die Entdeckungen nehmen täglich zu.

Dieses Seminar, das vom 25. bis 28. April 2022 im Physikzentrum Bad Honnef stattfand, bot eine exzellente Gelegenheit für (insbesondere junge) Forschende verschiedener Fachbereiche, die Zukunft dieser neuen Art der Astronomie zu diskutieren. Expert*innen der Technologieentwicklung für die aktuelle und nächste Generation von Gravitationswellendetektoren kamen mit Datenanalytiker*innen, Modellierer*innen und Astrophysiker*innen zusammen, um die Chancen und Herausforderungen der Multimessenger-Astronomie aus verschiedenen Perspektiven darzustellen und zu diskutieren. Denn wenn Neutronensterne in Doppelsystemen verschmelzen und dabei zumindest teilweise zerrissen werden, erschüttert das nicht nur die Raumzeit, sondern erzeugt auch eine Vielzahl elektromagnetischer Signale und sendet Neutrinos aus. Eine gemeinsame Messung all dieser Signaturen kann Aufschluss über das Verhalten der Materie bei extremen Dichten und stark gekrümmter Raumzeit, aber auch über die Ausdehnung und Entwicklung des Universums geben.

Fast 80 Teilnehmende vor Ort und weitere 20 online zugeschaltete Forschende trugen zu einem fruchtbaren und interaktiven Austausch bei. Neben Vorträgen und ausführlichen Poster-Sitzungen luden Tutorien zum Mitmachen ein und erlaubten den Teilnehmenden, selbst Gravitationswellensignale in verrauschten Datenströmen zu finden und die Empfindlichkeit am Computer simulierter Interferometer zu analysieren. Der wissenschaftliche Fokus der Vorträge lag vor allem auf den großen Fragen der zukünftigen Astronomie und wie sich diese mit Hilfe geplanter elektromagnetischer Teleskope sowie Neutrino- und Gravitationswellendetektoren beantworten lassen. Schließlich bestand die Zuhörerschaft zum Großteil aus jungen Forschenden, die in den nächsten Jahrzehnten zu den Leitfiguren z.B. in der Analyse von LISA Daten und beim Bau und Betrieb des Einstein-Teleskops werden können. Das Feedback, das uns aus dem Kreise der Teilnehmenden erreichte, war durchweg höchst positiv.

Wir danken den Mitarbeitenden des Physikzentrums Bad Honnef und der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung für die wunderbare, hoch professionelle Organisation vor Ort und für die großzügige Unterstützung.

Dr. Frank Ohme, MPI für Gravitationsphysik, Hannover
Prof. Dr. Michèle Heurs, U Hannover