Seminarbericht

Elektronische Ladungsdichtewellen (engl.: charge density waves, CDWs) können bei strukturellen Phasenübergängen auftreten oder diese Phasenübergänge verursachen. Gut untersucht sind CDW-Phasen beispielsweise in quasi-zweidimensionalen (quasi-2D) Übergangsmetall-Dichalkogeniden. Es gibt zahlreiche Hinweise auf verwandte Physik in martensitischen Phasenübergängen, die für Anwendungen wie Formgedächtnislegierungen genutzt werden. Allerdings werden diese Materialklassen in sehr unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen untersucht, sodass sich aus der Zusammenführung dieser Disziplinen spannende Möglichkeiten ergeben, insbesondere hinsichtlich der verwendeten Konzepte und Methoden. Dieses Seminar, das vom 16. bis 19. April 2023 im Physikzentrum stattfand, war ein erster Schritt in diese Richtung.

Etwa 60 Teilnehmende aus ganz unterschiedlichen Forschungsrichtungen diskutierten intensiv über die Ursprünge diffusionsloser struktureller Phasenübergänge. Sie kamen aus der experimentellen und theoretischen Festkörperphysik, die sich mit Ladungsdichtewellenphysik und korrelierten Elektronensystemen insbesondere in 2D-Systemen beschäftigt, sowie aus den Ingenieurwissenschaften, in denen Materialien und Legierungen entwickelt werden, die den Formgedächtniseffekt oder auch multikalorische Effekte zeigen. Für die Zukunft tun sich hier spannende Experimente und Zusammenarbeiten auf: Während in den Materialwissenschaften Fragen der Mikrostruktur, aber auch tiefere kristallographische Grundlagen, sehr intensiv untersucht werden, liegt der Fokus in der Physik – an ganz ähnlichen Materialsystemen – auf der Untersuchung der elektronischen Struktur, Phononendispersion und Elektron-Phonon-Kopplung.

Insgesamt 21 eingeladene Vorträge und zwei Postersitzungen mit exzellenten Beiträgen bildeten das Programm. Höhepunkte des insgesamt hochkarätig besetzten Seminars waren die Beiträge von Anna Böhmer über elektronisch getriebene strukturelle Phasenübergänge in eisenbasierten Supraleitern, Claus Ropers über ultraschnelle Elektronenmikroskopie und -beugung sowie Dennis Meier über die Eigenschaften ferroelektrischer Domänenwände.

Bereits während der beiden Postersitzungen war zu erleben, wie die Teilnehmenden begannen, über einen möglichen Probenaustausch zu diskutieren. So wird dieses Seminar sicherlich erst der Anfang sein, um wissenschaftliche Disziplinen zu vernetzen, die an sehr ähnlichen Fragestellungen forschen, sich aber normalerweise nicht auf Konferenzen treffen. Wir danken der WE-Heraeus-Stiftung für die finanzielle Förderung des Seminars sowie die hervorragende Organisation und Betreuung im Physikzentrum.

Prof. Dr. Gabi Schierning, Prof. Dr. Andreas Hütten, U Bielefeld
Prof. Dr. Kai Rossnagel, U Kiel