Seminarbericht

Plasmen haben das Potenzial, ungeahnt kompakte, neue Beschleunigeranwendungen in der Grundlagenforschung und zum Wohle der Gesellschaft zu ermöglichen. Als Besonderheit des Mediums Plasma können darin große elektrische Felder von 10 – 100 GV/m auftreten – drei Größenordnungen jenseits der Feldstärken, die sich in modernen, auf Metallstrukturen basierenden Radiofrequenzbeschleunigern erreichen lassen. Dadurch sind grundsätzlich plasmabasierte Teilchenbeschleunigermodule möglich, die Größenordnungen kompakter sind als traditionelle Konzepte. Die Forschung an diesen sog. Plasmabeschleunigern macht derweil große Fortschritte, insbesondere seitdem Kurzpulslaser mit Spitzenleistungen von bis zu Petawatt in vielen Forschungseinrichtungen verfügbar sind. Daher sind in wenigen Jahren erste Anwendungen in der Grundlagenforschung, der Industrie und der Medizin zu erwarten.

Der Zeitpunkt für dieses Seminar, das vom 15. – 18. Mai 2022 im Physikzentrum Bad Honnef stattfand, hätte daher kaum besser sein können. Die mehr als 90 internationalen Teilnehmer:innen diskutierten in neun Sitzungen mit Übersichtsvorträgen weltweit führender Wissenschaftler:innen auf dem Gebiet die Zukunft der Technologie für plasmabasierte Elektronen- und Ionenbeschleuniger und neuartige Ansätze, die noch ausstehenden Herausforderungen für einen breiten Einsatz zu lösen. Dabei wurden u. a. interessante Querverknüpfungen zwischen plasmabasierten Beschleunigern im Labor und als Quellen der höchstenergetischen Teilchen im Universum beleuchtet und das hohe Potenzial der Kontrolle kompakter Beschleuniger durch Konzepte des maschinellen Lernens analysiert. Das breite Anwendungsspektrum plasmabasierter Konzepte für die Hochenergiephysik, die Physik der Photonen, die industrielle Bildgebung und die Medizin wurde lebhaft diskutiert und der erstaunliche Fortschritt in den letzten Jahren breit dargestellt. Daran anknüpfend präsentierte die große Anzahl von Studierenden und Nachwuchswissenschaftler:innen ihre aktuellen Forschungsprojekte in Flash-Talks und auf 58 Postern mit hervorragenden Beiträgen.

Nach der langen, dem Corona-Virus geschuldeten Abstinenz von Präsenzveranstaltungen war dieses Seminar eines der ersten Treffen für das lebendige Forschungsfeld seit mehr als zwei Jahren. Daher stand der Aspekt des Networkings für viele der Teilnehmer im Vordergrund. Die vielen neuen Verbindungen werden in Zukunft sicherlich zu einer intensiveren Kooperation der verschiedenen Experimente und Gruppen führen. Nun ist die Transformation des Feldes von der Grundlagenforschung hin zu einem erfolgreichen Einsatz von plasmabasierter Beschleunigertechnologie notwendig. Dieser Schritt signalisiert einen Paradigmenwechsel in der Community, zu dem dieses, von allen Teilnehmern als überaus erfolgreich empfundenes Seminar einen signifikanten Beitrag geleistet hat. Die Organisatoren danken der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung für die Finanzierung und die professionelle und tatkräftige Unterstützung bei der Organisation.

Prof. Allen Caldwell, MPI für Physik München
Prof. Wim Leemans, DESY Hamburg
Dr. Jens Osterhoff, DESY Hamburg