Seminarbericht

45 Jahre nach der Formulierung der Quantenchromodynamik (QCD) als Theorie der starken Wechselwirkung zwischen Quarks und Gluonen gibt es zahlreiche experi­mentelle Befunde, aber keine mathematisch exakten Verfahren, die in allen Energie­bereichen zu vollständigen Lösungen führen. Mechanismen wie Confinement und Brechung der chiralen Symmetrie werden in Rechnungen der sog. Gittereich­theorie zwar beobachtet, dennoch bleiben viele offene Fragen. Nur im Bereich hoher Energien lässt sich die QCD über störungstheoretische Methoden verlässlich lösen. Dort erweisen sich die theoretischen Vorhersagen als kon­sistent mit allen bisherigen experimentellen Befunden. Im Experiment untersucht man heute Massen und Strukturen der Hadronen nicht nur bei niedrigen Energien, sondern auch bei hohen Teilchendichten und Temperaturen, wie sie in Sternen oder im jungen Universum vermutet werden.

Bei der Erzeugung der Hadronenmassen werden den Gluon-Quantenfeldern die we­sentlichen Rollen zugemessen. Ihre Effekte sind bei hohen und niedrigen Energien und hinsichtlich der unterschiedlichen Quark-Flavors aber offenbar sehr verschieden. Zu­mindest im Sektor der leichten Quarks (mit 'up',  'down' und 'strange' Flavors) wird neben dem Gluon-Kondensat die dynamische Brechung der chiralen Symmetrie der QCD bei niedrigen Energien für die Massenerzeugung als maßgeblich angesehen. Bei höheren Energien und Temperaturen sollte eine Restaurierung der chiralen Sym­metrie stattfinden. Insbesondere sollte es einen Phasenübergang von der hadroni­schen Phase zu einem Quark-Gluon-Plasma geben. Demnach wird weithin erwartet, dass der Übergang zur chiral restaurierten Phase mit der Aufhebung des Confine­ments (dem Vorliegen einer Deconfinement-Phase) einhergeht. Bei diesem Seminar, das vom 10. bis 14. September 2018 in Oberwölz, Österreich, stattfand, wurde allerdings intensiv und z.T. kontrovers über die Art dieses Übergangs diskutiert. Anscheinend führt er nicht unmittelbar zu „freien“ Quarks. Diese sollten erst bei asymptotisch hohen Temperaturen erwartet werden können.

Zentrale Themen des Seminars waren die Rollen von Symmetrien in diesem Problemfeld. In knapp 40 Vorträgen wurden Analysen von Schwerionen-Experi­menten, das Phasendiagramm der QCD in Abhängigkeit von Temperatur und  Teilchendichte, Spektroskopie von Hadronen mit leichten und schweren Quarks, die axialen U(1)- und unitären SU(N)-Symmetrien, Eigenschaften des Dirac-Operators, emergente Symmetrien sowie topologische Eigenschaften besprochen.

Die einwöchige Tagung hatte den Charakter eines Workshops, an dem wesentliche Experten der QCD und darüber hinaus teilnahmen. Unter den Teil­nehmern (ca. ein Viertel aus USA und Japan und drei Viertel aus EU-Staaten) war auch Nobelpreisträger Gerard 't Hooft, der in zwei Vorträgen über den Brout-Englert-Higgs-Mechanismus der Symmetriebrechung und über Quantenmechanik Schwarzer Löcher sprach.

Die Durchführung des Seminars im Ambiente der Kleinstadt Oberwölz in den Niede­ren Tauern mit vorwiegend gemeinsamer Unterbringung und Verköstigung der Teil­nehmer/innen im örtlichen Jugend- und Familienhotel förderten intensive Diskus­sionen und nachhaltigen Gedankenaustausch.

Prof. Dr. Harald Fritzsch, LMU München

Prof. Dr. Leonid Glozman, Prof. Dr. Christian B. Lang, Prof. Dr. Willibald Plessas, U Graz