Seminarbericht

Vom 8. bis 11. Juli 2019 diskutierten knapp 80 Teilnehmer im Physikzentrum Bad Honnef intensiv darüber, wie sich die Neutrinomassen bestimmen lassen, die seit der Entdeckung der Neutrinooszillation (Nobelpreis 2015) von Null verschieden sein müssen, aber leider nicht durch Oszillationsexperimente zugänglich sind.

Neben der Theorie von Neutrinos und der Bedeutung von Neutrinomassen in der Kosmologie und der Astroteilchenphysik (Werner Rodejohann, Thomas Schwetz) wurden vor allem die drei Methoden diskutiert, um die Neutrinomasse zu bestimmen. Die starken oberen Grenzen für die Summe der Neutrinomasseneigenwerte aus astrophysikalischen und kosmologischen Daten werden deutlich schwächer, wenn man die Spannungen zwischen den verschiedenen Bestimmungsmethoden der Hubble-Konstante ernst nimmt (Scott Donelson, Julien Lesgourgues). Die klassische Methode ist die direkte Neutrinomassenbestimmung aus der Form des Tritium-Betaspektrums am Endpunkt. Hier hat das KATRIN-Experiment am Karlsruher Institut für Technologie gerade mit der Datennahme begonnen (Kathrin Valerius). Neu hinzu gekommen und sehr interessant sind die kryogenen Mikrokalorimeter-Experimente zum Elektroneneinfang von Ho-163. Hierzu hat das ECHo-Experiment erstmals eine neues Neutrinomassenlimit auf diesem Seminar vorgestellt (Loredana Gastaldo). Dass man diese elektromagnetischen Abregungsspektren mit der notwendigen Genauigkeit überhaupt verstehen kann, liegt an neuen ab-initio-Berechnungen einer Heidelberger Gruppe (Martin Braß). Der dritte Zugang ist die Suche nach dem neutrinolosen doppelten Betazerfall, wo das zukünftige LEGEND-Experiment (Steve Elliott, Stefan Schönert) eine entscheidende Rolle spielt. Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt waren die neuen Ideen und Technologien, um die Empfindlichkeiten weiter zu steigern. Hier fanden die Vorträge über die Zyklotron-Resonanzspektroskopie mit Projekt 8 (Sebastian Böser, Joe Formaggio), die Suche nach sterilen Neutrinos mit KATRIN durch Auslese mit dem TRISTAN-Detektor (Susanne Mertens) und die mögliche Anwendung von Detektoren aus der Quanteninformationstechnologie (Wolfram Pernice) besonderes Interesse.

Hervorragende Beiträge kamen von den jungen Nachwuchswissenschaftlern mit Vorträgen (z.B. Martin Brass, Janina Hakenmüller) und Posterpräsentationen (Posterpreise an Dominic Hinz, Larisa Thorne, Christian Wittweg).

Wir möchten uns sehr herzlich für die finanzielle Unterstützung und gute Organisation durch die WE-Heraeus-Stiftung sowie für die exzellente Gastfreundschaft des Teams vom Physikzentrum bedanken. Ebenfalls gilt unser herzlicher Dank den Verantwortlichen der WE-Heraeus-Stiftung, die sehr unbürokratisch und schnell einer Teilnehmerin, die während der Tagung in große Not geraten ist, eine großzügige Hilfe angeboten haben.

Prof. Dr. Guido Drexlin; KIT Karlsruhe
Prof. Dr. Christian Enss, Universität Heidelberg
Prof. Dr. Manfred Lindner, MPI für Kernphysik, Heidelberg
Prof. John F. Wilkerson, University of North Carolina, USA
Prof. Dr. Christian Weinheimer, Universität Münster