Seminarbericht

Krebs ist eine genetische Krankheit, bei der sich Populationen von Krebszellen räumlich und zeitlich verändern – zum Beispiel durch Mutationen, Wachstum und Transportprozesse. Vor dem Aufkommen der DNA-Sequenzierung waren Fragen nach der Evolution von Krebs Gegenstand theoretischer Spekulationen; heute lassen sie sich auf Grundlage empirischer Daten angehen. Die komplexe evolutionäre Dynamik von Krebszellen wird von inhärent stochastischen Beiträgen (wie zufälligen Mutationen) sowie deterministischen Komponenten (wie Selektion für schnelleres Wachstum) geprägt. Zur Analyse dieser Dynamik bedarf es also statistischer Modelle der Krebsevolution.

Dieses Seminar, das vom 21. bis 25. März im Physikzentrum Bad Honnef stattfand, gab einen Überblick über die Krebsgenomik und ihre statistische Modellierung. Dazu kamen zwei unterschiedliche wissenschaftliche Communities zusammen: Genomiker und klinische Forscher zur Phänomenologie sowie statistische Physiker und Mathematiker zur Modellierung. Aufgrund der gleichzeitigen Dynamik einer anderen Krankheit, Covid-19, wurden Präsenz- und online-Elemente kombiniert: Alle Vorträge, Diskussionen sowie die Postersitzung konnten im Internet verfolgt werden, und Teilnehmer, die nicht anwesend waren, gaben Kurzvorträge zu ihren Postern. Um auch online-Teilnehmer an informellen Diskussionen rund um die Konferenz teilnehmen zu lassen, gab es einen „virtual fireside chat“: eine Diskussion zu zukünftigen Forschungsthemen unter online- und Präsenzteilnehmern per Zoom. Tatsächlich konnten schließlich fast zwei Drittel der Teilnehmer nach Bad Honnef kommen, viele der Sprecher, vor allem aus den USA, wurden allerdings per Zoom zugeschaltet.

Das Feedback der Teilnehmer nach der Konferenz belegt, wie das Konzept, zwei Communities zusammenzubringen, funktioniert hat: Auf der Zugfahrt von Bad Honnef zurück nach Paris haben zwei Mathematiker ein statistisches Modell zum Wachstum phylogenetischer Bäume formuliert – auf der Basis von Erkenntnissen aus Messungen an einzelnen Zellen eines Tumors, zu denen bei dem Seminar vorgetragen worden war.

Wir danken der WE-Heraeus-Stiftung herzlich für die Unterstützung dieses Seminars. Für viele war es seit langem die erste Gelegenheit, sich wieder direkt mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen. Ganz besonderen Dank für die fabelhafte Organisation an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Stiftung und des Physikzentrums!

Prof. Dr. Johannes Berg, Prof. Dr. Martin Peifer, U Köln
Dr. Donate Weghorn, Centre for Genomic Regulation, Barcelona, Spanien