Seminarbericht

Geladene Teilchen in der Form von atomaren oder molekularen Ionen sind im Universum allgegenwärtig. Das Verständnis von Interaktionen dieser Ionen auf mikroskopischer Ebene spielt eine große Rolle in einer Vielzahl von Disziplinen, von der Kern- und Atomphysik bis hin zur Bio- und Astrochemie. Laborexperimente mit atomaren und molekularen Ionen bedeuten allerdings weiterhin eine enorme Herausforderung, da einerseits Ionen wegen ihrer hohen Reaktivität von der Umgebung isoliert werden müssen und andererseits nur eine sorgfältige Präparation in kontrollierten Quantenzuständen aussagekräftige Experimente ermöglicht.

In diesem Zusammenhang haben sich Schwerionen-Speicherringe (Heavy ion storage rings) als unverzichtbare Instrumente für die Untersuchung geladener Teilchen etabliert. Während die meisten Speicherringe ursprünglich für Experimente in den Bereichen der Hochenergie- und Kernphysik eingesetzt wurden, haben sie sich in den letzten Jahren als sehr vielseitig für die Untersuchung gekühlter Atom- und Molekülstrahlen sowie Ionen-Elektronen-Kollisionen erwiesen. Insbesondere die aktuelle Entwicklung hin zu elektrostatischen Anlagen erlaubt es, geladene Moleküle nahezu unabhängig von ihrer Masse zu speichern, und öffnet damit die Tür für Experimente mit molekularen Clustern bis hin zu biologisch relevanten Spezies. Weil sich die modernsten Speicherringe sogar bei kryogenen Temperaturen betreiben lassen, die nur wenige Grad oberhalb des absoluten Nullpunkts liegen, stellen sie außerdem nahezu ideale Laborumgebungen dar für die Reproduktion von atomaren und molekularen Reaktionen im interstellaren Medium.

Aktuelle und zukünftige Entwicklungen im Bereich der Schwerionenspeicherringe waren das Thema dieses Seminars, das vom 20. bis 24. Juni in Bad Honnef stattfand. Mehr als 60 Teilnehmer aus 15 Ländern, unter ihnen viele junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, kamen im Physikzentrum zusammen, um ein breites Spektrum an experimentellen und theoretischen Entwicklungen auf diesem Gebiet zu diskutieren. Neben den Präzisionsexperimenten an magnetischen Speicherringen wurden neuartige Methoden mit überlagerten Strahlen unterschiedlichen Vorzeichens und mit neutralen Atomen präsentiert. Verschiedene Ansätze, um die Komplexität größerer Molekülionen zu behandeln, waren Gegenstand mehrerer Vorträge und Poster und intensiver Diskussionen in den Kaffeepausen.

Im Namen aller Teilnehmer und des wissenschaftlichen Organisationskomitees möchten wir uns für die großartige finanzielle und administrative Unterstützung durch die Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung und die Gastfreundschaft der Mitarbeiter des Physikzentrums in Bad Honnef bedanken. Diese Unterstützung trug zu einem erfolgreichen und äußerst lebhaften Seminar bei.

Prof. Dr. Klaus Blaum, Priv.-Doz. Dr. Holger Kreckel, MPI für Kernphysik Heidelberg

Prof. Dr. Stefan Schippers, Universität Gießen