Seminarbericht

Stark wechselwirkende Materie hat zwei Phasenübergänge: den Übergang zwischen flüssiger und gasförmiger Kernmaterie sowie den QCD-Übergang zwischen Materie aus Hadronen einerseits und aus Quarks und Gluonen (Quark-Gluon-Plasma, QGP) andererseits. Während der Expansion des frühen Universums durchlief die Urknallmaterie diesen Phasenübergang bei einer Temperatur von T≈160 MeV und nahezu gleicher Anzahl von Baryonen und Anti-Baryonen etwa 10 µs nach dem Urknall.

Der QCD-Phasenübergang wird seit mehr als 30 Jahren international im Detail untersucht. Der experimentelle Schwerpunkt liegt auf Experimenten an den Beschleunigern RHIC in den USA und LHC am CERN. Die wichtigsten Resultate sind die Realisierung, dass sich das QGP vor dem Phasenübergang wie eine fast ideale Flüssigkeit verhält, deren Eigenschaften sich sehr gut im Rahmen von relativistischer Hydrodynamik beschreiben lassen. Durch Experimente mit Kollisionen zwischen relativistischen Atomkernen konnte die Übergangstemperatur des QGP auf T=156,5 MeV bestimmt werden.

Der QCD-Phasenübergang ist einzigartig in der Natur, da er nicht nur mit der Wiederherstellung der in Kernmaterie stark gebrochenen chiralen Symmetrie einhergeht, sondern auch mit der Auflösung des nur in der starken Wechselwirkung vorkommenden Farbeinschlusses, des „confinement-deconfinement“-Phasenübergangs. Trotz vieler neuer Erkenntnisse bleibt die Natur des QCD-Phasenüberganges mysteriös: Für die für Hochenergieexperimente vorhergesagte „cross over“-Natur des Phasenübergangs fehlt die experimentelle Bestätigung; ein ebenfalls für Experimente bei niedrigen Energien vorhergesagter kritischer Endpunkt konnte bisher nicht lokalisiert werden. Im Gegensatz zum chiralen Phasenübergang ist der „confinement-deconfinement“-Phasenübergang weitgehend unverstanden.

Um Fortschritte im tieferen Verständnis des QCD-Phasenübergangs zu machen, kamen zwischen dem 3. und 5. April 2023 mehr als 50 auf diesem Gebiet arbeitende Teilnehmende aus aller Welt im Physikzentrum Bad Honnef zusammen, unter ihnen viele junge Wissenschaftler:innen. In spannenden Vorträgen wurden die neuesten experimentellen und theoretischen Entwicklungen vorgestellt. Eine wichtige Komponente der Vorträge war fokussiert auf die Physik schwerer Quarks im QGP und auf QGP-Transportparameter sowie auf die hoch-aktuellen Resultate zur Struktur und Verschmelzung von Neutronensternen aus den jüngsten Satelliten- und Gravitationswellen-Experimenten. Eine Postersitzung gab Raum für viele Diskussionen, die z.T. auch bis spät in die Nacht fortgesetzt wurden.

Ermöglicht wurde das Seminar durch die sehr gute finanzielle und administrative Unterstützung der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung. Besonderer Dank geht an die Mitarbeiter:innen der Stiftung sowie des Physikzentrums in Bad Honnef.

Prof. Dr. Peter Braun-Munzinger, GSI Darmstadt
Prof. Dr. Frithjof Karsch, U Bielefeld
Prof. Dr. Krzysztof Redlich, U Wroclaw, Polen