Seminarbericht

Die Suche nach neuen Quantenphänomenen prägt die heutige Festkörperphysik. Sie sind eine wichtige Motivation, um neuartige Quanten­phasen zu konstruieren, zu untersuchen, zu charakteri­sieren und zu steuern. So werden zum Beispiel zweidimensionale van der Waals-Hetero­struk­turen aus einer Vielfalt von zweidimensionalen Kristallen zusam­men­­gesetzt. Es ent­stehen syn­the­tische Materialien mit Eigenschaften, die in einzelnen Schichten nicht vorkommen. Über den Proximity-Effekt zwischen Supraleitern und magneti­schen Materialien lässt sich wahlweise eine ferromag­netische, eine antiferro­mag­netische oder eine nicht­kollineare magnetische Ordnung in einen zweidimensionalen Supra­leiter einbringen. Diese ermöglicht neue Paarungszustände der Elektronen und spinpolarisierte Supraströme. Die Spin-Bahn-Kopplung kann in diesen Materialien die fundamentalen Paar­ungs­mecha­nismen kontrollieren und ungewöhnliche Ising-Supraleitung erzeugen. Gene­rell kann an Grenz­flächen eine starke Spin-Bahn-Kopplung auftreten und neuartige supraleitende Phasen erzeugen, die sich durch ungewöhnliche Eigenschaften wie beispielsweise einen paramagnetischen Meißner-Effekt aus­zeichnen. Dieser und ver­wandte Effekte lassen sich durch ausgefeilte Methoden seit kurzem auch experi­mentell nachweisen.

Dieses Seminar, das vom 30. Mai bis 2. Juni 2022 im Physikzentrum Bad Honnef stattfand, hatte zum Ziel, ein breites Spektrum von Expertinnen und Experten und jungen Wissenschaftlern zu diesem Thema in Kontakt zu bringen. Nach langer, Corona-bedingter Workshop-Abstinenz war die Resonanz mit über 80 Teilnehmen­den sehr gut, wobei mehr als 60% der Teilnehmer aus dem Ausland kamen. Neben dem Vortragsprogramm sowie den gut und ausdauernd besuchten Postersitzungen war ausreichend Zeit für infor­melle Diskussionen gegeben. Ein besonderer Höhepunkt war der Eröffnungsvortrag von Katharina Franke (FU Berlin), in dem sie eine lineare Kette von 51 Fe-Atomen auf NbSe2 zeigte, deren kollektive Anregungs­zustände mittels Rastertunnel-Spektroskopie untersucht wurden. Der Abendvortrag mit dem „Blick über den Tellerrand“ von Silke Bühler-Paschen (TU Wien) gab einen Einblick in unkonventionelle Supraleitung in Schwer-Fermion-Systemen und anderen hochkorrelierten Elektronen­systemen. Daneben war die Beobach­tung und theoretische Erklärung von supraleitenden Gleichrichtungseffekten ein wiederkehrendes Thema in vielen Vorträgen. 

Wir bedanken uns bei der WE-Heraeus-Stiftung sowie dem Team des Physikzentrums für die ausge­zeich­nete finanzielle, organisatorische und logistische Unter­stützung.

Prof. Dr. Elke Scheer, Prof. Dr. Wolfgang Belzig, Universität Konstanz

Prof. Dr. Christoph Strunk, Universität Regensburg