Seminarbericht

Um Kooperationen zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland und den europäischen Partnerländern Frankreich, England und Polen zu fördern, hat die Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung 2089 eine Veranstaltungsreihe binationaler Seminare ins Leben gerufen. Das dritte Seminar in der deutsch-französischen Serie fand – pandemiebedingt um ein Jahr verschoben – vom 20. bis 25. März 2022 an der École de Physique in Les Houches in Frankreich statt und widmete sich dem Thema „Outstanding Challenges in Nonlinear Dynamics“.

Angesichts der inzwischen erreichten Breite und Diversifizierung der nichtlinearen Dynamik, die heute in ganz verschiedenen Disziplinen von der Physik bis zur Medizin und den Sozialwissenschaften Anwendungen findet, wird leicht übersehen, dass diese Anwendungen oftmals vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Ein prominentes Beispiel ist die kollektive nichtlineare Dynamik von Netzwerken oder auf Netzwerken, die eine Rolle in vielen Disziplinen spielt. Leider können die in der Physik entwickelten Vielteilchentechniken wegen vorhandener Nichtlinearitäten hierfür meist keine Hilfe bieten. Beispielhaft zeigt sich das u.a. in der kollektiven Dynamik feuernder Neurone.

Der Titel „outstanding challenges“ war bewusst zweideutig gewählt. In dem Seminar sollten einerseits anstehende Herausforderungen diskutiert werden; andererseits sollten die Sprecher durch diesen Titel auch animiert werden, sich auf besonders prominente Herausforderungen zu konzentrieren. So standen neben allgemeinen Themen der System-Identifikation und System-Charakterisierung, z.B. mit Methoden des maschinellen Lernens, bei zahlreichen Vorträgen besonders die Herausforderungen der Netzwerkdynamik im Vordergrund. Auch Synchronisationsphänomene waren ein zentrales Thema, während Strömungsphänomene und Turbulenz einen anderen Schwerpunkt bildeten. Welche erstaunlichen Fortschritte mit modernen Methoden der nichtlinearen Dynamik in Theorie und Anwendungen möglich sind, wenn die Herausforderungen angenommen werden, zeigten Vorträge zur Messung, detaillierten Modellierung und Steuerung der Herzdynamik.

Nach zwei Jahren der Pandemie war diese Veranstaltung im März 2022 die erste, die in der École de Physique des Houches wieder stattfinden konnte. Dementsprechend groß war die Begeisterung gerade auch bei jüngeren Teilnehmern. Wir danken der WE-Heraeus-Stiftung für die organisatorische und finanzielle Unterstützung.

Prof. Dr. Theo Geisel, MPI für Dynamik und Selbstorganisation, Göttingen
Prof. Dr. Hugues Chaté, CEA Saclay