Seminarbericht

Thema dieses Seminars, das vom 7. bis 10. April 2024 im Physikzentrum stattfand, waren die Effekte eindringender Moleküle auf die Integrität, Krümmung, Permeabilität, Heterogenität, Ordnung, Dynamik und Hydratation von biologischen Membranen. Solche Effekte modulieren z. B. Signalübertragungswege, das „remodeling“ von zellulären Membranen und die Wirkung von antimikrobiellen Peptiden und Pharmaka. Zwar sind mit diesen Funktionen in der Regel spezifische Membranproteine verknüpft, Eigenschaften der strukturgebenden Lipiddoppelschicht können sie aber maßgeblich beeinflussen. Schon die extrem komplexe, heterogene Verteilung und aufwändige Regulierung der Lipidzusammensetzung in den unterschiedlichen Membranbereichen sprechen für eine zentrale funktionelle Rolle der Lipide.

Ein wiederkehrendes Thema des Seminars war das Zusammenführen von lipid- und proteinfokussierten Perspektiven auf eine Membranfunktion. Daran erinnerte auch ein Ausspruch, der sich zum running gag des Seminars entwickelte: Bei der Begrüßungsdebatte am Sonntag wurde ein Kommentar eines offenbar etwas zu einseitig lipidfokussierten Kollegen bei einer Konferenz vor etwa 20 Jahren zitiert, der Membranproteine als „impurities“ bezeichnet hatte. So sieht das heute niemand mehr, aber die Problematik ist noch immer kritisch. Ein Vortrag erklärte dann zum Beispiel, warum sich eine mechanische Störung nicht so unmittelbar über die Membran ausbreitet, wie es die Theorie der Elastizität einer reinen Lipiddoppelschicht erwarten ließe: Weil „Zäune“ aus Membranproteinen die Lipidmoleküle entkoppeln. Daraus ergab sich abends eine Debatte, inwiefern Lipidvesikel ohne Membranproteine überhaupt als Modell für Biomembranen dienen können. Eine Antwort: Einfache Modelle ermöglichen ein quantitatives Verständnis von Teilaspekten und zeigen ggf. erst die Grenzen zu einfacher Betrachtung klar auf. Der Gewinn an biologischer Relevanz komplexerer Modelle bis hin zu Zellen oder Organismen geht oft mit einem Verlust an quantitativem, mechanistischem Verständnis einher.

Abendliche Debatten zu Technischem und Grundsätzlichem – zunächst gemeinsam mit „voting system“ im Hörsaal und danach vertiefend beim Kölsch im Lichtenbergkeller – gehörten zu den allgemein begrüßten Besonderheiten des WEH-Seminars. Neben den Präsentationen und der aktiven Kommunikation aller Teilnehmer über den ganzen Zeitraum trug das zu einer ganz besonderen Intensität der Veranstaltung bei, welche die Kultur und Vernetzung im Forschungsgebiet nachhaltig fördern wird.

Wir danken der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung sowie den Mitarbeitern des Physikzentrums für die großzügige Förderung, maximale Gestaltungsfreiheit, perfekte Organisation, exzellente Beköstigung und immer freundliche Unterstützung.

 

Prof. Dr. Heiko Heerklotz, U Freiburg