Seminarbericht

Die Erforschung der kohärenten Dynamik von Quantenzuständen, z.B. in Festkörpern, schafft die Grundlagen von Quantentechnologien – mit Anwendungen wie abhörsicherer Kommunikation, extrem empfindlichen Sensoren oder Quantencomputern. Mit einem historischen Abriss der modernen Quantenmechanik und des Einflusses der Physik auf die Quanteninformationstheorie begeisterte Charles Bennet (IBM) das Publikum zum Auftakt dieses Seminars.

Der Fokus des Seminars aber lag auf festkörperbasierten eindimensionalen Quantenkanälen. Sie bieten aufgrund besonders starker Wechselwirkungseffekte interessante Forschungsthemen. Darüber hinaus versprechen sie die Möglichkeit, topologische Zustände zu nutzen, um Quantenoperationen vor Dekohärenz zu schützen. Beispiele sind helikale Zustände, bei denen Spin- und Ladungsfreiheitsgrad gekoppelt sind, oder künstlich erzeugte Majorana-Fermionen. Daher erforscht zur Zeit eine schnell wachsende Gruppe von Wissenschaftlern eindimensionale Systeme in Festkörpern. Microsoft finanziert die Erforschung von Majorana-Zuständen in Halbleiter-Nanodrähten in Labors in Delft und Kopenhagen. Mit Leo Kouwenhoven (Delft) and Charlie Marcus (Kopenhagen) nahmen die beiden prominentesten Wissenschaftler aus dieser Kooperation an dem Seminar teil. Leo Kouwenhoven informierte in einem sehr pädagogischen Abendvortrag über den Stand der Forschung und machte deutlich, wie weit der Weg zu einem universellen Quantencomputer noch ist. Für universelle Quantencomputer aus supraleitenden Qubits, wie sie von IBM und Google bereits genutzt werden, ist eine Fehlerkorrektur nötig. Je nach der Güte der Qubits sind dabei mehr oder weniger physikalische Qubits nötig, um ein logisches Qubit zu realisieren. Die aktuelle Erforschung von Majorana-Zuständen wird von der Hoffnung angetrieben, dass Majorana-Qubits aufgrund ihrer topologischen Eigenschaften Quantenoperationen fehlerfrei durchführen können. Allerdings ist bisher noch nicht einmal gelungen, ein einzelnes Majorana-Qubit zu realisieren.

Das Seminar brachte führende Experimentatoren und Theoretiker für 1D-Quantensysteme zusammen. Ein Höhepunkt war eine Podiumsdiskussion zur künftigen Rolle von 1D-Systemen für Quantentechnologie. Neben den Majorana-Zuständen wurden dabei helikale Phasen sowie die starken Korrelationen in 1D als vielversprechende Eigenschaften aufgeführt. Die Nutzung dieser Eigenschaften erfordert extrem reine Grenzflächen z.B. zwischen halbleitenden Nanodrähten und dünnen supraleitenden Schichten. Die Vorträge führender Materialexperten, die hierzu Wachstumstechniken enorm verbessern und teilweise neu erfinden müssen, waren ein weiterer Höhepunkt des Seminars.

Wir danken der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung für die finanzielle Unterstützung und hervorragende Organisation des Seminars.

Dr. Heike Riel, IBM Research Zurich
PD Dr. Stefan Ludwig, Paul-Drude-Institut, Berlin
Prof. Dr. Christian Schönenberger, U Basel