Seminarbericht

Fluktuationen sind in der Natur allgegenwärtig, sei es in Form von Wasserwellen, bei der zufälligen Bewegung atomarer oder mesoskopischer Teilchen in Flüssigkeiten oder beim stochastischen Verhalten von Photonen der elektromagnetischen Strahlung. Fluktuationen können u.A. thermischer Natur oder ein intrinsischer Effekt der Quantenmechanik sein. Oftmals sind Fluktuationen weder von besonderem Interesse noch von physikalischer Relevanz und werden sogar manchmal – denken wir beispielspeise an Rauschen – als störend empfunden. Allerdings spielen sie eine fundamentale und besondere Rolle, wenn sie räumlich korreliert sind, d. h., wenn sie mesoskopische Entfernungen im Raum überbrücken. Wenn sie zusätzlich noch räumlich begrenzt werden, etwa durch die Oberflächen eingebetteter Objekte, so können sie physikalische Kräfte hervorrufen – sog. fluktuationsinduzierte Kräfte, oftmals auch als Casimir-Kräfte bezeichnet. Diese Kräfte wurden in verschiedenen Systemen und Versuchsanordnungen auf der Mikrometerskala gemessen, und praktische Anwendungen befinden sich in der Entwicklungsphase.

Wichtige Beispiele, in denen räumlich korrelierte Fluktuationen auftreten, sind zum einen das elektromagnetische Feld, das zum berühmten Casimir-Effekt der Quantenelektrodynamik (QED) führt, und zum anderen Flüssigkeiten in der Nähe eines kritischen Punktes, die den sog. kritischen Casimir-Effekt verursachen. Diese beiden Fälle zeigen viele interessante Eigenschaften und geben weiten Raum für Untersuchungen verschiedenster Szenarien, z.B. Kräfte in Flüssigkeiten, die ins Gleichgewicht relaxieren. Zusätzlich zu diesen beiden Beispielen öffnet sich ein weiter Bereich von Systemen fern vom Gleichgewicht, in denen generisch langreichweitige Korrelationen auftreten, z.B. in aktiver Materie oder in „Cavity-QED“. Tatsächlich sind für das Auftreten fluktuationsinduzierter Effekte nur recht wenige Zutaten erforderlich. So treten sie in verschiedenen Wissenschaftsbereichen auf, z.B. auch in vielen Feldern der Biologie. Sie stellen daher ein sehr interdisziplinäres Forschungsgebiet dar.

Das Seminar, das vom 14. bis 17. Februar 2022 stattfand (durchführt als reine online-Konferenz über die Plattform MeetAnyway), brachte führende Experten aus verschiedenen Forschungsbereichen zusammen und deckte so erfolgreich ein breites Spektrum an fluktuationsinduzierten Effekten ab. Es wurden beeindruckende theoretische und experimentelle Fortschritte beschrieben und diskutiert. So berichteten einige der Vortragenden über Entwicklungen bezüglich fluktuierender elektromagnetischer Felder, z.B.  interatomare Wechselwirkungen oder Kräfte oder Drehmomente, die zwischen speziellen Oberflächen wirken. Unter anderem wurden für strukturierte Oberflächen, oder solche mit besonderen optischen Eigenschaften, neue Phänomene beobachtet oder vorhergesagt. Andere Vortragende präsentierten neue Arbeiten zur Kontrolle und Vorhersage fluktuationsinduzierter Kräfte thermischen Ursprungs, mit denen sich wichtige Aspekte weicher Materie steuern lassen, z.B. die Wechselwirkung zwischen Kolloiden, deren Dynamik und ihre Aggregation.

Das Seminar und die lebhaften, wenn auch auf Distanz geführten Diskussionen im Anschluss an die Vorträge trugen dazu bei, den Austausch und die gegenseitige Inspiration sowohl in Bezug auf Phänomenologie als auch Methodik zu fördern und dadurch Vorhersage, Kontrolle und Nutzung fluktuationsinduzierter Kräfte zu verbessern. Wir danken der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung für die hervorragende organisatorische Unterstützung sowie für die Bereitstellung der online-Plattform.

Prof. Dr. Siegfried Dietrich, MPI für Intelligente Systeme, Stuttgart
Prof. Dr. Andrea Gambassi, SISSA, Triest, Italien
Prof. Dr. Matthias Krüger, Universität Göttingen
Prof. Dr. Anna Maciołek, Polnische Akademie der Wissenschaften, Warschau, Polen